2007


„Hüt isch nid Samichlousetag, gäu nid, nid Chlousetag?“ fragt der Mann aus dem Wohnheim die Frau auf dem Sitz ihm gegenüber.
„I möcht itz mit mire Fründin rede, bittee, u nid mit öich übere Samichlous“, weist ihn die Frau zurecht.
„Wei mer lieber über ds Spital rede?“
„Neeei!“
„De gani, u suech-n-i öpper, wo wott übere Samichlous rede.“
Der Mann steht auf und setzt sich auf einen anderen Platz.
„Dr Esu het Angscht vor em Hung. Dr Hung het Chraue, dr Esu nid.“
„Aber dr Samichlous“, meint einer der Fahrgäste.
„Dr Esu cha o biise, nid nume dr Hung.“
Weiterer Fahrgast: „Ja, är biisst dr Samichlous.“
„Dr Samichlous macht mer nüt mit dr Ruete, tuet mi nid houe.“
Dritter Fahrgast: „Aber är hout drmit dr Hung.“
Vierter Fahrgast: „U ou dr Esu.“ Und genervt zu dem Mann aus dem Wohnheim: „U di chrauet-er mit sine Chraue.“
„Aber hüt no nid,“ meint dieser zuversichtlich, „hüt isch no nid Samichlousetag.“

Blick zurueck

Seit einigen Wochen lebt Albert im Pflegeheim, nicht allzu weit weg von seinem früheren Zuhause. Einen weiteren Winter hätte der 92jährige allein im alten Bauernhaus nicht geschafft. Schon wegen der anstrengenden Heizerei. Ausserdem hatten die von ihm heiss geliebten und verwöhnten Katzen längst die Herrschaft über seinen bescheidenen Haushalt übernommen, frassen ihm Teller und Pfannen leer und hatten sogar gelernt, die Milch aus dem Beutel zu trinken, wenn ein Strohalm drin steckte.
Albert gehört schon seit Jahren zu den Samstags-Gästen meines Vaters. Nachdem ich ihm vor Jahren die alten Fotos geordnet hatte, schauen wir sie immer wieder zusammen an. Er sei froh, dass ich alles geordnet und angeschrieben hätte. Es wäre sonst sicher verloren gegangen, meint er. Albert nimmt seine Brille aus der Chuttebuese, um das Foto, welches man beim Abbruch seines Bienenhauses gefunden hatte, genau zu betrachten. Es zeigt seinen Onkel Fritz, die Grosseltern Christian und Maria und rechts aussen seine junge schöne Mutter in einer weissen Bluse vor dem Bauernhaus.
Zwei Bilder trägt Albert immer bei sich: eine Ansicht seines kleinen Dorfes aus den dreissiger Jahren und dasjenige einer Theatergruppe, aufgenommen vor dem „Bären“. In der vordersten Reihe sitzt Marie, die Frau seines Herzens.
Hätte er sie doch damals vor siebzig Jahren nur angesprochen, als sie auf einer Reise nach Goppenstein im gleichen Abteil sass. Seine Kameraden hatten ihn noch ermuntert, aber ihm sei das zu „stotzig“ gekommen und wieder habe er, wie eigentlich immer in seinem Leben, eine gute Gelegenheit verpasst.
Dass das Brillenglas zersprungen ist, stört ihn nicht, er hat das Gefühl, jetzt sogar besser zu sehen.

Ich gehe mit einer Tasche voller Blumenzwiebeln und einigen Schaufeln in den Kindergarten, stelle die Zwiebeln, die Werkzeuge und mich im „Kreisli“ vor.
„Bist du die Blumenfee?“ fragt mich ein Junge in Juve-Shirt. Wer sich alt, ungeliebt, nutzlos und/oder zu dick fühlt, sollte wirklich einmal ein Ämtli in einem Kindergarten übernehmen, denke ich. Trotz der eiskalten Bise wird es ein munteres Pflanzen rund ums neue Holzhaus. Bald wissen vierzig Kinder, was bei den Zwiebeln unten und oben ist, wie man die Schaufel hinstellt, damit sie nicht umfällt, wie das Pflanzloch mit Erde aufgefüllt und mit der Grasscholle zugedeckt wird. Anschliessend entstehen die prächtigsten Zeichnungen von bunten Blumen, so dass ich nur hoffen kann, die Mäuse finden im kommenden Winter etwas anderes zu fressen, als unsere 272 Blumenzwiebeln.
Nun haben nicht nur die Kinder, sondern auch die Krokus-, Schnee-, Märzen- und Aprilglockenzwiebeln einen neuen Ort zum weiter Wachsen gefunden.

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Ich frage eine Freundin, die eben eine Stelle in einem Bundesamt angetreten hat, wie ihr der neue Arbeitsplatz gefalle.
„Es ist der erste in meinem Leben mit Damentoiletten im Überfluss.“


(Karte: Judith Bärtschi)

Zieh dir für den jeweiligen Tag, oder wenn du eine Frage hast, eine Karte heraus und vergolde deinen Alltag, indem du ihre tiefere Bedeutung in dein Leben integrierst

Diese Karte möchte ich mit allen teilen, die mir heute ihr Beileid zu den Wahlen bekundet haben. Merci – siehe oben.

Gestern hat das Quartier, in dem „blogk.ch“ steht, sein 40. Jubiläum gefeiert. Die öffentliche Meinung dazu ist, dass das Quartier damals eines mit Pinoiergeist war und heute eines mit Problemen ist. Vergessen geht oft, dass das, was im Rückblick zum Pioniergeist avanciert, in der Gegenwart eine Reaktion auf Probleme war. Wäre gut möglich, dass das, was wir hier und heute an Herausforderungen zu bewältigen suchen, in vierzig Jahren auch als Pioniergeist gilt. Auch wenn es nicht mehr Skirennen, Risottokochen und Geranienmärkte sind.

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Coop-Magaziner beim Jubel-Frühstück: Du musst wissen, wenn ein Chef dich fertig machen will, kann er. Egal ob Bosnien, Schweiz, egal ob gute Job oder schlechte, egal viel Gewerkschaf, wenig Gewerkschaft. Egal viel Korruption, wenig Korruption. Er kann einfach, bei ihm ist Macht.

Ich: Kann schon sein. Kommt deine Frau auch noch?

Coop-Magaziner: Nein, sie arbeitet. Ich gehe nachher mit Zwillinge bei ihr in Coop essen. Geld muss fliessen. Coop zahlt unsere Lohn, ich zahle damit Mittagessen bei Coop.

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Mädchen an einem Sinneswettbewerb. Mit verbundenen Augen diktiert es mir, was es nach Tasten, Riechen und Schmecken in den Gläsern vermutet:

Mädchen beim Paniermehl: Brot klein gemacht zu Sand.
beim Fencheltee: Tee für mein klein Bruder.
bei Muskatnuss: Nuss, die meine Mutter reibt.
bei Zimstängel: Vanillestängel für Weihnachten.
bei Grillspiess: Du fädelst Gemüse und Fleisch darauf.
bei Cellophansack-Verschlüssen: Metallteile zum Schliessen von Säcklein die sind wie ein Fenster.
bei Steckmasse für Blumengestecke: Hier steckt meine Mutter schöne Blumen rein und ich meine Finger.

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Ehemalige Bewohnerin: Ich habe die richtige Entscheidung getroffen. Ins Altersheim, bevor ich alt bin. Was hätte ich nur gemacht auf dieser Baustelle hier? Zwar, die Aussicht, die ist schon anders, lauter Bäume vor den Fenstern. Eigentlich soll man dagegen nichts sagen, aber der Sonnenaufgang und der Sonnenuntergang, die fehlen mir schon. Allerdings soll man nicht klagen, dass es vergangen, sondern dankbar sein, dass es gewesen. Vierzig Jahre lang im zwölften Stock. Das war schon etwas Besonderes.

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Bewohnerin (hat vier Kinder alleine grossgezogen) leise zu mir:
Heute bekommt mein B. den Ehrerndoktor der Uni K. Ich meine, wer hätte das gedacht, als er sich einst selber töten wollte? Du weisst ja, die Pfadi, die hat damals sehr schlecht reagiert, als er sich geoutet hat, er war hier ja Jahre sehr sehr aktiv. Und was ist danach passiert, als B. bei ihnen aufgehört hat, was? Es ist nur noch abwärts gegangen mit der Pfadi und das freut mich bis heute. Das musste damals so sein, dass ich diesen zerrissenen Brief im Abfall gefunden habe, es ist alles genau richtig herausgekommen. Jetzt ist er Quantenphysiker und seit heute Dr. Dr. Zuerst wollte er ja nur noch für die Bewegung arbeiten, aber ich und alle Geschwister haben gesagt, das ist doch kein Beruf, das ist doch einfach eine sexulle Orientierung, das reicht doch nicht als Lebenshinhalt! Und dem 20 Minuten habe ich auch gerade geschrieben, als sie diese Liste mit den homosexuellen Kandidierenden gemacht haben, die hätten besser erklärt, wofür diese Leute stehen! Dass Diskriminierung nicht sein darf, das gilt für alle und jeden! Auch für mich. Ich sage jedem, der mich dumm auf meine schwulen Söhne anspricht: Wer sie beleidigt, beleidigt auch mich, wer sie nicht respektiert, respektiert mich nicht. Die Haltung ist entscheidend und nicht die Orientierung.

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Ein Pöstler: Nach vierzig Jahren haben sie mir nun auf der Schanzenpost gekündigt. Ich arbeite jetzt auf der Sihlpost. Ich hätte mir das nicht gedacht, dass das geht, aber es geht. Es war nicht in Ordnung, dass sie es mir so spät gesagt haben, dass sie mich versetzen müssen. Ich war ja vorher noch nicht oft in Zürich, ich kannte das nicht. Aber sonst geht es.

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Es ist 23 Uhr. Zusammen mit einer Nachbarin, die gerade ihren Spätdienst im Pflegeheim beendet hat, steige ich aus dem Bus. An der Haltestelle wird sie von Ehemann und Schwägerin abgeholt. Als ich zu meinem Block abbiege, bietet sich der Mann an, mich zu begleiten, denn um diese Zeit sei es nicht mehr angebracht, als Frau allein unterwegs zu sein. Als „Mosslem“ könne er das nicht akzeptieren. Ich bekomme einen Lachanfall und sage, dass ich in meinem Leben schon Schwierigeres bewältigt hätte, als hundert Meter allein zu gehen, z.B. einige Kinder gross ziehen. Das gefällt ihm gar nicht. Ich müsse wissen, dass bei den „Mosslems“ die Sache umgekehrt sei. Da habe man Respekt gegen oben zu den Alten. Er hebt den Arm über seinen Kopf. Wir hier in der Schweiz hätten Respekt nur gegen unten zu den Kindern. Er geht in die Knie: so tief unten sei unser Respekt. Das ist mir dann doch zuviel, und auch ich beginne zu zeigen, wohin mein Respekt reiche: nach oben, nach unten, zu ihm und zu mir.
„Ausserdem bin ich schon zu Hause. Das hier ist mein Vorzimmer.“ Ich zeige auf die Strasse mit den Herbstblättern und den zerfledderten Gratiszeitungen:
„Zwar ein bisschen schmutzig, aber ich warte auf den nächsten Windstoss.“
Endlich gibt der Mann auf, denn verrückte Frauen muss ein „Mosslem“ wirklich nicht begleiten.

Sie vertrauen Dr. Blumenthal voll und ganz, obwohl er alt und ein Jude ist und an einem Stock durch seine Praxis tappt. In den vergangenen zwanzig Jahren hat der Arzt die zahlreichen Mitglieder der kurdischen Sippe durch Kinderkrankheiten, Geburten, Arbeitsunfälle, Magengeschwüre, Tumore und Depressionen begleitet, ohne je einmal die Geduld oder den Humor zu verlieren. Sein junger türkischer Kollege aus der Praxisgemeinschaft ist da ganz anders, fertigt er doch in der gleichen Zeit das Mehrfache an Patienten ab. „Haide, haide – los, auf gehts“ treibt er die Leute an. Er kann sich verständlicherweise einen Offroader leisten, dieser „Dr. Haide“, während Dr. Blumenthal eine alte Karre fährt. Grossmutter, die sich vor einem Besuch bei ihrem Arzt immer sorgfältig einkremt und frisiert, hat ihm letzthin ein Hemd geschenkt. Der Doktor wollte es zuerst nicht annehmen. Erst, als die alte Frau drohte, dann werde sie halt wieder depressiv und sei dazu erst noch beleidigt, liess er sich erweichen.
Nächste Woche bekommt Grossvater Hasan eine neue Herzklappe. Dr. Blumenthal hat zu einer biologischen geraten, vom Schwein oder vom Rind. In diesem Falle aus religiösen Gründen wohl besser vom Rind?
„Egal, ob Schwein oder Rind, wenns um die Gesundheit geht,“ meint Tochter Aliva resolut,“wer heimlich Schinkenbrote verputzt, kanns auch mit einer Herzklappe vom Schwein!“

Wort

Vorsorglich hatten wir Wasser, Schokolade, Wäsche zum Wechseln und genug Lesestoff eingepackt, aber der ICE brachte uns wohlbehalten und pünktlich nach Frankfurt;-)

Um das Podiumsgespräch „Katalnische Frauen (be)schreiben die Welt“ nicht zu verpassen, begab ich mich früh ins Lesezelt. Ich bekam also noch die letzte Viertelstunde der Diskussion „Lust statt Frust – Meine Wohlfühlformel“ mit. Auf dem Podium sass Erika Berger zusammen mit ihrem Verleger oder wars doch Oswald Kolle? Obwohl die abgeschabten Klappstühle nur spärlich von älteren MesseläuferInnen in sportlichem Schuhwerk besetzt waren, gab die Sexberaterin und Autorin von Lebenshilfe-Büchern jedem ein bisschen von ihrem Strahlen ab. Hier war ein Vollweibprofi am Werk. Das fand ich cool. Es ging um die Wechseljahre. Darüber erzählte Frau Berger nichts Neues, aber sie tat dies frisch, temperamentvoll, schlagfertig und mit Humor – eine Traumautorin für den Verlag . Ein weisshaariger Herr fotografiert begeistert. Erika Berger macht ihm ein Kompliment für seien kanariengelben Pulli, welcher ihm sehr gut stehe und ihn von den Heerscharen der grauen Mäuseriche abhebe. Sie selber pflege Kleider- wie Hautfalten liebevoll und halte sich von Schönheitschirurgen fern. Überhaupt sei Schönheit, entgegen anderer Behauptungen, keine Frage des Geldes, denn eine Gurke und ein Ei wirkten Wunder. Ihre 68 Jahre verschweigt sie keineswegs, auch nicht das Enkelkind, was leider viele Frauen täten. Natürlich kann die Fachfrau aus einem reichen persönlichen Fundus schöpfen und zögert auch bei der kecken Frage des Moderators, ob sie schon einmal eine Beziehung zu einer Frau … , keine Sekunde, was diesen dann schon ein bisschen verunsichert und ihn zu dem Witzchen verleitet: „Ich gestehe, dass auch ich schon mal eine sehr schöne Beziehung zu einer Frau hatte.“

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Eigentlich wollte er an diesem Samstag das Herbstlaub im Garten zusammen rechen, gemütlich eine Zigarre rauchen und nach getaner Arbeit eine Flasche Twanner Frauenkopf aufmachen, als das bundesrätliche SMS ihn aus seiner Ruhe riss. Ohne lange zu überlegen pfiff er den Hunden, legte ihnen die Sonntagsleinen an und machte sich, noch in der Gartenschürze auf Richtung Klösterlistutz. Übermütig beinelten seine drei treuen Gefährten neben ihm her, dem Geruch nach Bär, dem Klang der Kuhglocken und der lüpfigen Volksmusik entgegen.
Er wusste, das war sein ganz persönlicher Gang nach Canossa, aber als Stadtpräsident blieb ihm keine andere Wahl. Er war jetzt ganz auf sich allein gestellt! Ehrlich gesagt, hatte er schon sein ganzes Leben lang nach einer solchen Herausforderung gelechzt und sich gewünscht, endlich aus dem Schatten seines Vaters zu treten. Obwohl es einen Moment der Überwindung brauchte, sich vom Herbstlaub zu trennen, wusste er sogleich:
D a s war die Gelegenheit auch ein „Stadtvater“ zu werden: die übrigen Gemeinderatsmitglieder weilten in den wohlverdienten Herbstferien, Bunderat Schmied konnte das Parlamentsgebäude der Chaoten wegen nicht verlassen und Regierungsrat Luginbühl hatte sich vor den Tränengasschwaden in der Altstadt auf leisen Sohlen davon gemacht.
In wenigen Sekunden zogen die Konsequenzen, welche ihn erwarteten, an seinem inneren Auge vorbei: Die lustigen Teilnehmer an der Kundgebung für eine sichere und saubere Schweiz dort unten an der Aare würden ihn auslachen, ja, mit ihren Kuhglocken ausschwengeln. Der dazugehörige Bundesrat würde eventuell höhnisch lächeln und ihm und den Hunden den Gratis-Festschüblig verweigern, die JUSOs würden ihn hassen und als Verräter anprangern und seine ausgeruhten Ratskollegen kämenn mit den schärfsten Vorwürfen, er habe eigenmächtig gehandelt und viele seiner Parteigenossen würden ihn ab heute nicht mehr kennen.
Aber nun musste, ghoue oder gschtoche, gehandelt werden. An seine politische und private Zukunft wollte er jetzt, wo Bern in Not war und Ehre und guten Ruf zu verlieren hatte, nicht denken.
Das Geläute dröhnte in seinen Ohren. Seine Hunde zogen ihn durch einen Wald von Schweizerfahnen. Vor dem mit Geranien bekränzten Rednerpult beugte er Knie und Haupt, schaute dann aber entschlossen auf und sagte laut und deutlich aus ehrlichem Herzen: „Es tut mir Leid. So etwas sollte in meiner Stadt, der schönsten der ganzen Welt, nicht passieren!“

Nur schade, dass keiner der zahlreich anwesenden Reporter diese ergreifende und mutige Szene im Bild fest gehalten hat. Aber das ist wahrscheinlich das Los der stillen Helden im Herbst.

Heute im Bus liess ich die andern reden und schaute statt dessen auf ein Plakat, welches mich fragte: Kennen Sie Ihren Augeninnendruck?
Ein Mann, der vor mir sass, mochte auch nichts dazu sagen und las in „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“.

Stängel

Wenn ich an dieser städtischen Anlage vorbei gehe, kommt mir Traugott in den Sinn. Dass die Zeiten, wenigstens lebensmittelversorgungsmässig besser sind als damals, kann man daran sehen, dass Lauchstängel, Fenchel und Randen nicht gestohlen werden, ja, sogar der Kardy von ennet dem Röstigraben wird in Ruhe gelassen. Es kann ja sein, dass kaum jemand mehr das Chrutt im Originalzustand kennt.
Ein Kompliment an die Stadtgärtnerei!

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Unser Blogger-Besuch von neulich hatte Messedienst in Schanghai und schreibt:

Ich war dort als General Manager der deutschen Niederlassung von einem Shanghaier Stickmaschinen und -ersatzteilhersteller.

Meine Anwesenheit hatte überwiegend mit dem chinesischen Minderwertigkeitskomplex dem Westen gegenüber zu tun (siehe auch Minderwertigkeitskomplex, muslimischer). Ich muss meinem Geschäftspartner jeden Tag versichern, dass Shanghai ganz toll ist und dass „The Bund“ praechtiger ist als die Königsallee usw.

Vor diesem Hintergrund ist es natürlich grandios für ein chinesisches Unternehmen, eine rindsmilchtrinkende Grossnase am Messestand zu haben. Deshalb durfte ich den Messestand nur in Richtung Klo verlassen, was eine sehr dumme Entscheidung war, denn auf den anderen Ständen hätte ich ja was über die Konkurrenz erfahren können und ich muss ja etwas über die Konkurrenz wissen, wenn ich chinesische Stickmaschinen in die Türkei verkaufen soll, oder?

Ausserdem hat meine Anwesenheit am Stand die Kunden abgeschreckt: die einheimischen Kunden, weil Chinesen panische Angst vor Westlern haben (vor allem die vom Land, und von denen gab es auf der Messe eine ganze Menge; für die wären an unserem Stand die Ersatzteile interessant gewesen). Und die anderen Kunden (vor allem aus Sri Lanka, Indien und Pakistan), weil die Anwesenheit eines Weissen normalerweise „Joint Venture“ bedeutet = höhere Kosten.

Ich habe meine Abschreckungs-Theorie Kunden aus Südafrika geschildert und einer thailändischen Vertriebsleiterin – und die haben jeweils heftig genickt. Aber mein Geschaeftspartner ist beratungsresistent. Mir solls recht sein.

Am ersten Abend war ich an einem chinesischen Dinner eingeladen, inklusive chinesischer Show (Merengue, Bauchtanz, Peking-Oper, Verlosung, Schüler-Band, das Ganze moderiert von einem gemischten Doppel, wie eigentlich immer in China, denn der Mao-Spruch, dass die Frauen die Hälfte des Himmels tragen, gilt immer noch.). Der chinesische Bauchtanz war zum Totlachen – genau das Gegenteil von dem Bauchtanz, den sich meine Mutter zum Geburtstag gewünscht (und leider auch bekommen) hatte. Die sauerländischen Bauchtänzerinnen hatten zwar Bauch, aber keine Anmut; sie haben sich bewegt wie Roboter. Die chinesischen Bauchtaenzerinnen waren natürlich wunderschön, haben sich geschmeidig bewegt – hatten aber keinen Bauch. Wie gesagt, sehr amüsant.

Das Dinner fand in einem riesigen Restaurant mit 1.500 Sitzplaetzen statt. Ich war der einzige Weisse. So fühle ich mich in China am wohlsten.

Einer der berühmtesten deutschen China-Kenner lebt seit 1994 in Peking. Ich wette, dass der noch nie allein mit des Englischen nicht mächtigen Chinesen gewesen ist, sonst würde er nicht immer wieder so einen Stuss von sich geben wie z.B. „Der Chinese ist listig“. Hab ich mit eigenen Ohren gehört, wie er das gesagt hat. Und das war kein Gerhard-Poldt-Zitat, sondern sein Ernst.

So lange ich die Frage, was mir dieses Engagement in Sachen Stickmaschinen an Lebenserfahrung bringt, positiv beantworten kann, mache ich das weiter.

(…)

Ich habe gerade ueberhaupt keine Lust zu bloggen. Ich kann übrigens alle Blogs prima erreichen, auch Mad Minerva (und die wäre hier garantiert gesperrt, wenn die chinesische Regierung was von ihr wüsste). Nur das Schachblog von Susan Polgar ist geblockt, keine Ahnung warum.

(…)

Habe ich mich eigentlich schon darüber erstaunt gezeigt, dass hier die Wikipedia komplett gesperrt ist – und Youtube nicht?

Noch nie seien so viele Wahlplakate „vandalisiert“ worden, wie in diesem Herbst 2007. Die „Vandalisierung“ würde hauptsächlich die Partei A betreffen, während die Parteien B und C kaum „vandalisierte“ Plakate zu beklagen hätten (Aus: Nachrichten TeleBärn vom 30. Sept. 2007).
Die Wandaale ihrerseits huldigten, wie ihr Sprecher dem regionalen Fernsehen gestern mitteilte, mit der intensiven Arbeit im öffentlichen Raum nur dem Culture Jamming.

Oh ja, ich habe sehr viel Heimweh nach Thailand. Aber ich muss dankbar sein, in der Schweiz zu bleiben. Was wäre ohne meine Mutter? Ihr muss ich danken, dass sie mich hierher gebracht hat, denn Bangkok ist sehr, sehr schmutzig. Viele Kinder werden genommen und müssen auf die Strasse gehen zum Betteln.

Meine Brüder arbeiten, meine Mutter hat sie in Thailand gelassen, aber ich kann noch nicht selber verdienen, ich muss zuerst sehr viel lernen. Ich war schon in sieben Schulen! Ich war viel krank in Thailand und wenn ich wieder neu krank war, haben sie mich gezügelt zu einer anderen Tante und Grossmutter, ich habe drei Mutter! Aber kein Vater, weil ich drei war als er starb. Mein neuer Vater ist nur mein Stiefvater, er hatte noch nie einen Sohn. Er muss üben wie es geht mit einem Sohn.

Aber als wir noch in Thailand waren hat meine Mutter immer gearbeitet – auch als kleines Mädchen, immer, das war einfach so! – aber sie hatte nicht genug Geld. Bei Tsunami hat Arbeit ihr Leben gerettet, sie musste nach Phuket, aber ein Chef hat gesagt, vorher muss sie noch diese Arbeit fertig machen und dann kam genau der Tsunami nach Phuket und sie war nicht da.

Geld musste meine Mutter viel von anderen nehmen. Mein neuer Vater bezahlt alles zurück, alles, alles, alles. Er ist 43 Jahre alt, meine Mutter 45 Jahre alt und ich sage ihr, dass sie jetzt nichts mehr nach Thailand bezahlen soll, denn diese geben uns nie etwas. Sie denken, alle in der Schweiz sind reich, sie wissen nicht, dass wir hier arbeiten. Jeden Tag lang, damit wir sparen können, für die Wohnung und die Krankheiten, um sie am Ende vom Monat zu bezahlen.

Meine Lehrerin sagt, wenn ich mich in Deutsch verbessern kann, werde ich vielleicht, vielleicht die Sekundarschule schaffen. Aber ich muss mich in Deutsch verbessern. Mein Schweizer Vater kann mir gut helfen bei Deutsch und wenn er etwas nicht kann, schaut er im Computer.

Ich habe mich viel gefragt, warum in der Schweiz die Katzen so gross sind und in Thailand nur so klein, dann habe ich gesehen, dass es hier Katzenfutter gibt. In Thaliand müssen die Katzen sehr clever sein und Vögel fangen und sie sind sehr, sehr dünn. Aber jetzt habe ich hier eine Katze und ich spiele jeden Tag viel mit ihr, damit sie alles üben kann, was die Katzen von Thailand können.

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Zu meinen frühsten Kindheitserinnerungen gehört die Emme. Meine Grossmutter trug mich über den „Däntsch“ durch das Gebüsch hinunter an den Fluss. Blätter, die sich wie Wolle anfühlten, streiften mein Gesicht. Unten am Flussbord setzte sie mich in den feuchten Sand. Es gab eine Schaufel, blau oder grün, mit welcher ich darin grub, bis kleine „Glunggen“ entstanden. Das Wasser rauschte hinter einem Wall von blank geschliffenen Kieseln. Die Holzbrücke spannte sich in kühnem Bogen über den Fluss. Dem einzig existierenden Foto nach musste ich gegen zwei Jahre alt gewesen sein. Ein paar Jahre später sass ich oft auf einem Balken in der Brücke und schaute durch ein Astloch im Geländer auf das Wasser hinunter, bis ich meinte zu fahren. An heissen Tagen war es hier drinnen kühl und das Sonnenlicht drang durch die Fensterläden. Obwohl ich noch klein war, fürchtete ich mich nicht. Sollte zufällig ein Löwe vorbei kommen, würde ich ihm, wie Grossmutter mir für diese brenzlige Situation geraten hatte, ein Lied singen.
60 Jahre später entnehme ich dem NZZ-Folio „Sicherheit“ Sept. 2007, S. 29, dass diese Anweisung absolut richtig war.

Seit Monaten treffen sich bei uns auf dem Spielplatz fünf Frauen libanesischer und irakischer Herkunft mit ungefähr 20 Kindern. Alle tragen ein Kopftuch. Immer passend zu ihren Gewändern, farbig, perfekt gebügelt und bei den jungen Frauen unter dem Kinn zugenäht.

Das älteste Mädchen, dünn und lang, bei diesem Gespräch von Kopf bis Fuss in Blau eingehüllt, begleitete ihre Klasse nicht in die Landschulwoche. Ich wunderte mich. Sie erklärte mir, dass ihre Mutter ihr die Teilnahme nicht erlaubt hatte, weil ihr Lehrer ein Mann sei und sie die Woche auch mit den Knaben verbringen würde. Nächstes Jahr dürfe sie vielleicht mit, wenn sie ein eigenes Zimmer bekommen könne. Ja, sie sei schon traurig. Sie wäre dann noch mehr Aussenseiterin, weil sie viele Gruppenerlebnisse verpasst hätte.

Die Mutter sass im Gespräch mit ihrer Schwester, Schwägerin und Freundin in der Nähe. Ich sprach sie darauf an und erklärte kurz mein Bedauern. Sie wolle das Mädchen nur schützen. Für eine Muslima sei das Leben hier sehr schwierig, erklärte sie mir. Ihre Tochter bete fünf Mal täglich. Ausserdem verhülle sie Haar und Körper vor jedem Mann und jedem Bub. Wie sollte sie sich da dem Landschulwochen-Programm anpassen können? Ausserdem werde das Mädchen in fünf Jahren heiraten. Wer würde sie dann überhaupt noch nehmen, wenn sich die Teilnahme an dieser Woche herumsprechen würde?

Die Kinder haben aus der neuen Gratiszeitung Rollen gemacht und schlagen sich gegenseitig damit auf Köpfe und Waden. Einige Mädchen verschanzen sich in der Telefonkabine und verlassen diese erst wieder, um einen Jungen zu trösten, der auf dem Boden liegt und von zwei Grösseren vertöffelt wird. Es gibt genug Zeitungen, um die zerfledderten Rollen zu ersetzen. Als ich den eingemüllten Platz fotografiere, wird es ganz still. „Sind Sie von der Polizei?“ Ich beruhige sie und frage, wie ihnen dieser Dreck vor dem Haus gefalle. Es ergibt sich ein gutes Gespräch und sie versprechen, alles wegzuräumen. Neben jeder der neun Haustüren steht neuerdings ein „Notenständer“, auf welchem die Gratisblätter angeboten werden. Würde man an dessen Stelle ein Kindervelo oder einen Kinderwagen parkieren, gäbe es sofort Reklamationen. Die Abfallkübel sind vollgestopft mit Papier, dessen Entsorgung die Mieter über die Nebenkosten bezahlen. Blöd für uns und gut für die Herausgeber.
Immerhin müssen in der Schweiz nun täglich 435’000 Zeitungen mehr entsorgt werden.

Eben erhielt ich eine mündliche Absage für eine Mutterschaftsentschädigung. Ich hätte in den neun Monaten vor der Geburt während fünf Monaten angestellt sein sollen. Hallo? Ich habe studiert und halt nur so kleine Telefon-, aufgabenhilfs- und Kerzenziehjobs gemacht.

Blöd, dass ich im Mai 2006 von der Ausgleichskasse des Kantons Bern eine mündliche Zusicherung erhalten habe, dass ich die Voraussetzungen für eine Mutterschaftsentschädigung erfülle. Deshalb rechnete ich mit dem Geld!

Bestimmt wäre es sinnlos und total unmoralisch, unser Familienblog dafür auszunutzen, um im www zu fragen, wer einer verzweifelten Mutter hilft, ihr Studiendarlehen von 15’000 Franken abzubezahlen. Deshalb wünsch ich allen Studierenden keine Schwangerschaft. Kinderkriegen ist nämlich in Bern gar nicht wirklich attraktiv. Kauft euch lieber eine Katze.

Akropolis Bern West

Als ich diese Säulen heute früh so wunderstolz im Morgenlicht empor ragen sah, dachte ich: hurra, nun wohne ich bald in einer A-Stadt, denn hier entsteht die Akro-Polis Bern-West!
Meine Begeisterung liess aber nach, als ich in der Zeitung las, dass Wirtschaftswissenschaftler „A-Städte“, auch Berns Westen, als solche bezeichnen, wenn darin hauptsächlich

Alte
Arme
Arbeitslose
Auszubildende
Ausländerinnen und
Ausländer

wohnen.
Ehrlich gesagt weiss ich gar nicht, was nun aus diesen Säulen werden soll. Am besten werden sie möglichst schnell alt.

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