2014


Letzter Weierlitag 2014

Saisonende Im Weierli, 21.09.2014

Die Liegewiesen leer, ab und zu ein Gerumpel aus den Umkleidekabinen, wo Liegestühle zusammengeklappt und Sonnenschirme gerollt werden. „Phu, nein, einen letzten Schwumm mache ich heute nicht mehr, viel zu kalt!“ meint meine Kabinennachbarin aus Nummer 43. Der Mann mit dem Kunstbein hat schon gestern gepackt, wünschte einen schönen Winter und hoffentlich noch einen nächsten Weierlisommer. Man weiss ja nie …
Dieses Jahr bin ich nicht allein beim Abbaden. Obwohl das Wetter wechselhaft ist, bestehen auch die Kleinkrähen darauf, noch ein letztes Mal in diesem Jahr im Weiher zu schwimmen und zu schwaddern. Die Erwachsenen sorgen für genügend Verpflegung, spielen Mühle, plaudern, drehen noch einmal ihre Runden – das Bad ist rund, lassen den kühlen verregneten Sommer in Gedanken an sich vorbei ziehen – trotz allem ein Schwimmsommer, auch bei niedrigen Wassertemperaturen.
Ab und zu zwischen den Wolken einen nachsommerlichen Sonnenblick, dann stürzen wir uns noch ein allerallerallerletztes Mal rein.
Während vor dem Haus die Sommersaison zu Ende geht, wird hinter dem Haus die Eisbahn für die Wintersaison präpariert.

Erster Schultag

Nun habens wir’s doch getan, obwohl wir uns alle 2005 geschworen hatten: „Nie mehr!“ Ja, ich habe vor neun Jahren sogar gesagt:“Nur über meine Leiche …!“
Ich lebe noch – Alhamdulillah, und die erste Schulwoche meines jüngsten Enkelkindes in einer der schlechtesten Schulen Berns liegt hinter uns.
Kleines Bübchen marschiert wacker dahin, hat bereits eine Zaubertüte gebastelt, A – klein und gross – und zwei Zeilen A-Wörter geschrieben, hat geturnt und ist geschwommen. Von „Barry“, der sitzt als Plüschhund auf einem Hocker mitten im Schulzimmer und ist das Natur-Mensch-Mitwelt-Thema, erzählt der Bub nichts. Vor einem Jahr, als er in den Kindergarten kam, war’s „Die kleine Raupe Nimmersatt“. Raupe und Hund Barry sind dem Kind bestens bekannt, da Barry ausgestopft im Naturhistorischen Museum steht und die gefrässige Raupe seit 1969 ganze LehrerInnengenerationen beflügelt. Kleiner Bub beklagt sich nicht, alles noch einmal ein bisschen verlangsamt zu hören.
Nur die Mathematik, besonders die Hausaufgaben, sind eine herbe Enttäuschung. Gilt es doch von 1 bis 10 kleine Kreise im Zahlenbuch Nr. 1 auszumalen, gleiche Gegenstände einzukreisen und mit der entsprechenden Zahl zu verbinden – einfach bubileicht – zum Weinen. „So etwas Blödes mache ich nicht bis 10!“ Statt direkte Linien vom Gegenständepäckli zur richtigen Zahl zu ziehen, wandert der Bleistift in Kurven, Schleifen und Zacken über die Seite, um schliesslich auf verschlungenen Umwegen bei den entsprechenden Zahlen zu landen – für Ahnungslose ein chaotisches Gekritzel.
Vor dem Nachtessen verlangt der neue Erstklässler zwanzig „richtige“ Rechnungen. Seine Schwester in der zweiten Klasse möchte auch noch ein bisschen Mal-Rechnen. Also schreibe ich zwischen Tomatensauce und Quarkcreme die verlangten „Bigeli“ auf.

Die Schule habe sich in den vergangenen Jahren geändert. Es gebe Qualitätskontrollen, meint der Co-Schulleiter, ein netter Mann, der ins Mobbing gegen meinen älteren Enkel nicht involviert war.
Hier im Westen werden viele neue teure Wohnungen gebaut. Von der A-Stadt will man möglichtst sofort weg und zum „In-Quartier“ kommen. Dazu braucht es auch eine gute Schule. Gerade habe ich von einer Politikerin gehört, dass westenlich weniger Familien mit Kindern zuziehen, als erwartet. Das neue Schulhaus könnte also auch von anderen Quartieren, die mit Platznot zu kämpfen haben, mitbenutzt werden. Das wäre doch eine prima Gelegenheit für Eltern, die es lebensschulend finden, ihre Kinder mit „fremden Kulturen“ bekannt zu machen.

Ich schweife ab, Entsch …

Möchte nur noch sagen, dass der frischgebackene Erstklässler in einer sehr netten Klasse ist mit mindestens vier sehr sympatischen und kompetenten Lehrerinnen. Wer weiss, vielleicht hat sich ja doch etwas geändert.

Mond I

(Fotos vom 11.08.2014, 03:21:45 – 03:24:33)

Wenn wir mit heiterer Seele durch die Nacht wandeln und ihn sehen, rund wie ein gelbes Auge, das genau überm Dach hockend auf uns herab schaut …

Mond II

… dann fängt die unsterbliche Ballade von Musset in unserer Erinnerung zu singen an.
Und ist es nicht der schelmische Dichter, der ihn uns alsbald mit seinem Blick zeigt:

Mond III

C’était, dans la nuit brune,
Sur le clocher jauni,
La lune
Comme un point sur un i.

Mond IV

Lune, quel esprit sombre
Promène au bout d’un fil,
Dans l’ombre,
Ta face et ton profil?

Aus: Guy de Maupassant: Auf See, Hamburg : mare, 2013, ISBN 978-3-86648-166-4

Der Bericht von Vered, einer Blogk-Leserin aus Israel, wurde als Kommentar zu diesem Eintrag geschrieben. Er erreichte mich nach meinen Ferien und soll als „Anhang“ an einen älteren Beitrag nicht übersehen werden.

Sälü 1st,
auch ich hätte gerne ein Wort von dir zum „Nahen Osten“ gelesen und bin ehrlich gesagt enttäuscht über dein Schweigen. Dass du dich nicht gerne Leuten (und Gazetten sowie TV-Menschen) aussetzest, die wie Gott alles wissen, nur besser, kann ich begreifen. Aber dass du darauf verzichtest, dich zu informieren und auch jenen „dort unten“ vielleicht einen Gedanken zu schenken – das tut weh.
Damit du verstehst, was ich meine, füge ich einen kurzen Abschnitt aus meinem alten Blog bei (Nov. 2012, könnte aber auch von heute sein):

Ein Verwandter in der Schweiz pflegt von Zeit zu Zeit anzurufen, ein „Wie geht’s? Wie steht’s?“ Gespräch. Ausgerechnet jetzt hörte ich aber keinen Pieps mehr von ihm. Da rief ich an, ob bei ihm alles in Ordnung sei… Oh er sei so froh, mich zu hören, sie machten sich soooo Sorgen um mich. Ich: Dem könntet ihr aber leicht abhelfen. Anruf genügt! – Ja, er habe das nicht gewagt. – Warum nicht? – Aus Furcht, mir zu schaden, da bei uns doch die Telefone überwacht würden! – Ich griff mir an den Kopf. So sieht er Israel? Als Staat, in dem einen die blosse Tatsache, dass man Anrufe aus dem Ausland bekommt, gefährden kann? Als Polizeistaat, in dem jeder Bürger dauernd bespitzelt wird? Woher hat er bloss diesen Stuss, diesen Quatsch, diesen Blödsinn? Das Gespräch hat mich sehr niedergeschlagen. Ein starkes Gefühl der Entfremdung packte mich, der Unmöglichkeit von Kommunikation, als lebte ich auf einem anderen Planeten.
Ich habe seitdem nicht mehr gebloggt. Andere tun es besser, als ich konnte.
Hier einige gute Adressen, die anzutippen sich lohnt (wenn du dich noch für Israel und die Menschen hier interessierst). Frauen aus D und CH schreiben aus ihrem Alltag, jede aus ihrem Gesichtswinkel.

Die Altmeisterin ist Lila, eine mit einem Israeli verheiratete Deutsche, ehemalige Kibbuznikit, Kunsthistorikerin, Mutter von vier Kindern, von denen drei ihren Militärdienst schon geleistet haben. Sie ist besser informiert als viele Berufsjournalisten und schreibt sachlich, lebendig und konkret.
Empfohlen seien ferner: Eine Lehrerin und Übersetzerin aus dem Berner Seeland, junge Mutter, lebt offenbar nicht weit von Sderot.
Noch eine junge Mutter, aus Bayern, künstlerisch begabt, eigentlich nicht politisch , aber jetzt …
Blick auf die Welt – von Beersheva aus (M.A. Neuere Geschichte, Literatur, Theaterwissenschaft). Ausgezeichnete Ergänzung zu Lilas Blog, da weiter „rechts“ positioniert. Recherchiert sorgfältig und umfassend.
Zum Judentum übergetretene Sozialarbeiterin aus Deutschland, sehr fromm. Schöner, subjektiver Blog.
Mittdreissigerin aus Süddeutschland, „Bibliomanin“, zwei Kinder. „Eigentlich wollte ich nur mal mit eigenen Augen sehen, warum dieses Land auf so viele Menschen einen so großen Reiz ausübt. Bereits nach wenigen Tagen war es um mich geschehen“.
Eine gute Ergänzung ist die Stimme einer in Ostdeutschland aufgewachsenen jüdischen Berlinerin, wach, unabhängig denkend.
Wichtig ist auch der Kollektivblog, geschrieben von einem Team von 5-6 Leuten.

Noch etwas: Wenn du noch Verbindung zu Menschen in deinem früheren Kibbuz oder sonst in Israel hast – lass ein Wort hören. Du weisst nicht, was das für uns ausmacht.

Die Blogs:

Letters from Rungholt: http://rungholt.wordpress.com/

Kinder, Katzen und Kakteen: http://chutzpi.wordpress.com/

Gan Eden: http://travelganeden.wordpress.com Saskia

Blick auf die Welt – von Beersheva aus: http://beer7.wordpress.com/

Giur, Israel, Volontariate und mehr …: http://noa50.blogspot.co.il/

Fragmente: http://fragmentage.blogspot.co.il

Irgendwie jüdisch: http://irgendwiejuedisch.blogspot.co.il/

Spirit of Entebbe: http://spiritofentebbe.wordpress.com/

U wüsst i, wohi dass i fahre
u was dert alls wartet uf mi,
de fragt i mi glych, isch das ds Ändi oder
geit’s wyter, no anderswo hi?
(Aus: Wohär u wohi? von Heinrich Boxler)

Wir denken an Christoph Habegger
Geboren am Freitag, 4. März 1977
Tödlich verunglückt am Montag, 22. Juli 2013

Es war ein prächtiger Sommertag.

Mirabellen

Am Baum …

Im Glas

… Im Glas

Auf dem Tisch steht ein grosser Teller mit goldgelben Mirabellen. Sicher vom Früchtehändler, der jeden Sommer seine Hütte an der Strasse zum Meer einrichtet. Nein, sagt meine Tochter und führt mich zu einem hohen Baum, voll behangen mit Mirabellen. Ein Elsternpaar schnabuliert keifend und krächzend die reifen Pflaumen an den obersten Ästen.

Vor 15 Jahren war dieser Baum ein fingerdicker Spross hinter unserem Wohnwagen. Den muss ich im Auge behalten, dachte ich damals und sah schon die feinen Früchte. Eine Baufirma wollte dann Ferienhäuser bauen und liess viele der alten Nadel- und Laubbäume fällen und die Lorbeer- und Oleanderhecken ausreissen. Für den Mirabellenspross hatte ich keine Hoffnung mehr.

Es wurde nicht gebaut. Der Platz blieb viele Jahre sich selber überlassen, sah mit den Baumstrünken und abgesägten Hecken jämmerlich aus.

Heute wachsen neben den alten wieder neue Bäume, der Oleander blüht, Büsche und Stauden säumen die Wege. Sonnenschirme stehen auf den Veranden der Wohnwagen. Es flippt und floppt, pingt und pongt, rutscht und hüpft. Und zwischen all dem Ferientreiben steht der Mirabellenbaum, immer noch fest verwurzelt im Sand der Camargue, wo es doch heisst, auf Sand bauen sei unklug.

Mirabellen

Der Pillendreher paddelt tapfer auf dem Kräuselwasser. Ich hole dich hier raus, verspreche ich. Federleicht streift ein Mauersegler das Wasser und macht meine Karmapunkte für diesen Tag zu nichte.

Fingerhut neben Zwiebeln

In der letzten Zeit verbringe ich viel Zeit im Garten, denn ich lese kaum mehr Zeitung und schaue wenig Nachrichten. Interessanterweise fragt mich niemand nach meiner Meinung zum „Nahen Osten“, obwohl viele wissen, dass ich in dieser Gegend einige Jahre verbracht habe. Darüber bin ich froh, denn ich muss mir dann auch keine Patentlösungen von Leuten anhören, die jahrausjahrein ungestört schlafen dürfen.
Nicht nur, dass der Regen den Stachel- und Johannisbeeren geschadet hat, auch der Kugelfisch, den wir Berner fürs neue Tierpark-Aquarium kaufen wollten, ist einer Überschwemmung im Keller des aargauischen Fischhändlers zum Opfer gefalllen – Pech, nun ist Geduld gefragt, denn diese Fischchen sind selten.
Solche Probleme nehmen viel Platz ein in unseren Zeitungen.
Gerade habe ich einen Fingerhut neben Borretsch und Zwiebeln gepflanzt – giftig neben essbar. Oleander in friedlicher Nachbarschaft mit Frauenmantel, Rainfarn und Salbei. Im Garten ist’s möglich.

Diese Idylle wird im Moment von einer Gruppe Nachtbuben gestört, die über den Zaun klettern, allerlei kaputt machen und ihren Müll hinterlassen. Eigentlich gibt es hier herum zahlreiche Plätze, wo sie sich aufhalten könnten, aber diese sind frei zugänglich und deshalb überhaupt nicht cool.

Im Rüegsauschachen ca. 1946

Grossmutter Elise G. mit ihrer ersten Enkelin, ca. 1946

I söll doch bitte zum Geburtstagsapéro öppis säge, hei miner Töchtere gmeint.
Wie macht me das, ohni dass es e Art vorzogni Grabred wird?
I has probiert:

Weme gsung u zwäg sibezgi cha wärde, isch das es Glück u nid sälbverständlech.

Ganz ohni Regle u Wiisheite vo de Altvordere wärs allwäg nid so guet gange. I ha es paar drvo notiert, wo ni euch nid möchte vorenthalte. Wär weiss, villicht chöit dir die einti oder angeri bruche.

Mi Grossmueter, d Rosa Schenk, het mir, woni no chlyn bi gsi, d Angscht vor wilde Tier gno, wo im Troum oder in Würklechkeit eim so chönnti begägne. „Stang eifach a Wägrand u sing es Lied,“ het si grate. Si het das nid sälber ustänkt. Es isch im „Schäflihirt“ gstange, däm Blettli, wo dr Brüederverein für d Jugend monatlech useggä het. D Grossmueter het mer es Bildli zeigt mit eme gfürchige Löi drufe. „Also, wen i däm ‚Gott ist die Liebe’ singe, macht dä mir nüt“ ha ni gwüsst.
Speter het de dr Vater albe vo mene Kolleg verzellt, wo die Singregle nid het kennt u em Löi darum i d Schnure ine greckt heig bis zum Schwanz hingere u ne de grad – ruckzuck – lätz gmacht heig. I bi nume einisch im indische Dschungu churz amene Tiger begägnet, für nes Lied häts gar nid glängt.

Mit mire angere Grossmuetter, dr Elise Glauser Pfeiffer, bin i öppe a dr Ämme uf dr Rüeggsousite ga spile. Mängisch si mir o uf dr Holzbrügg i ds Wasser abe ga luege. Wemer lang gnue uf d Ämme gluegt hei, hei mer gmeit, mir fahri.
Schiff fahre het mer gäng gfalle, sigs uf em Meer, ufeme Kanal oder uf em Thunersee.
Wi mir ja vo üsem Unggle Graf Ärnscht wüsse, sött me sech der Wunsch nach ere Thunerseefahrt müglechscht schnäll erfülle. Dr Ärnscht isch nämlech gschtorbe, bevor är no einisch uf em See isch gsi.

Das i chli verchlemmt bi u sicher ke Meischterin i dr sexuelle Ufklärig, ligt nid a mine Eltere. Wo ni öppe füfi bi gsi, hei si mer gseit, wie das geit mit de chlyne Ching. Dr Liebgott schickse vom Himu obenabe u si chömi blutt uf d Wält – „nackt und bloss“. I bi de mängisch lang am Fänschter gschtange u ha ghoffet, so nes Bebe gse abezsägle. Aber nüt ha ni gseh, u i has vo däm Libgott fiis gfunge, dass er o Bebe blutt abeschickt, wes chalt isch u rägnet.

Drum bin i froh dass dir alli guet sit glandet.

I ma mi erinnere, das i lang zwe grossi Wünsch ha gha, nämlech e Isebahn Wage voll Wule u e Isebahnwage voll Büecher. Vo beidem hani i als Ching gäng zweni gha. Es Strängli Wulle het für mi Fuessgrössi lang nume für ei Socke u ds Börtli vom zwöite glängt.

Dr „Schäflihirt“ isch jede Monet cho u i ha ne scho bevor das i i d Schuel bi cho, sälber chönne läse. Iprägt het sech mir die Gschicht vom chlyne Negerbüebli us em heisse Afrika, wo mit sire Mueter het ufe Acher müesse ga. D Muetter het vil Fuhre ghacket u äs het ds Meiss dri gleit, wie d Mueter ihm het gseit. Aber äbe, das Büebli hets de nid eso genau gno, was me de ersch speter gseh het, wo die Saat isch ufgange.
Das isch für mi e Lehr für ds Läbe worde.

I ha eigentlech zum Isebahnwage voll Büecher wölle cho.
I dr Oberschuel hani 2 Büecher i dr Wuche dörfe näh. Es het eifach i dam Bibliotheksschaft vo der Sek Riggischbärg nume wenig ha. De hani de no chönne die Büecher etlehne, wo dr Unggle vore Schuelkollegin währet em Studium het gläse u deheim im Stöckli het la lige: Schopenhauer, Veterinärmedizinisches, Förschtergschichte vom Ludwig Ganghofer u Bärgstigerromän vom Gustav Renker.

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Meertruebeli

Dieses JOHANNisbeer-Foto zum Beitrag ist nur scheinbar unpassend (aus meinem Garten)

Ginge es nach den Jungspunden, würde die Frauenorganisation in meiner Partei aufgelöst. Sie sei nicht mehr zeitgemäss, denn schliesslich hätten wir, argumentieren die jungen Genossen, abgesehen von einigen Kinkerlitzchen, die Gleichstellung der Geschlechter erreicht. Allenfalls könne man ja eine Art Geschlechterbüro einrichten.
Wieder typisch, denke ich. Eine super funktionierende selbsttragende Organisation, die sich – weil für Frauenanliegen – für die ganze Gesellschaft einsetzt, wird demontiert und irgendjemand soll irgendwie irgendwo irgendwann ein neues, „auch den Männern zugängliches“ Büro aufmachen.

Dass Männer nicht vernächlässigt, gar ausgeschlossen werden, dafür setzt sich neuerdings auch eine SVP-Stadträtin ein. (Ich mag gerade nicht verlinken.)
Wie bitter sei es z.B. beim Schweizer Frauenlauf Bern für die Männer, nur Zuschauer am Strassenrand sein zu dürfen, obwohl sie doch täglich joggen (während ihre Frauen einkaufenkochenwaschenkindervonderkitaabholenputzen?) und sie mit ihren kräftigen Waden den Lauf problemlos bestreiten könnten, wenn man sie nur liesse. Ein reiner Männerlauf muss her! Die rechte Stadträtin wird ihn für ihre unterdrückten Brüder organisieren. Das ist sie ihnen schuldig, denn zusammen mit zehn SVP-Männern darf sie schliesslich als einzige SVP-Frau im Stadtrat sitzen.

Eigentlich wollte ich einen Beitrag über die Frauen schreiben, denen ich in der vergangenen Woche begegnete.
Ein paar Notizen auf meinem Zettel:
Suzanne: „Manchmal liege ich in den Bohnen, schaue in den Sternenhimmel und merke, wie klein ich bin.“
Lotti: „Als ich jung war, machten mich Wörter wie ‚Ewigkeit‘, ‚unendlich‘ und ‚Universum‘ fast wahnsinnig.“
Therese: „Nachdem ich den ganzen Vormittag anspruchsvolle Kundinnen und Kundinnen beim Kauf von Vorhängen und anderen Dekostoffen beraten habe, lege ich mich in der Mittagspause im Sousol des Geschäfts auf eine Liege zwischen die neuesten LED-Vorhangkollektionen. Da kann ich super abschalten.“
Marie-Luise: „Mit dem Literaturpreisgeld will ich einen Hühnerhof bauen mit einem starken in die Erde gesetzten Zaun gegen den Fuchs. Dann reichts vielleicht noch für einen Wintergarten.“
Leni: „Als Politikerin ist es schwierig, Freundschaften zu schliessen, die das Amt überdauern.“
Louise: „Nächsten Monat werde ich anfangen, jungen Kriegswitwen in Sri Lanka Englischunterricht zu geben, damit sie die Aufnahmeprüfung in eine Schule bestehen. Diese Frauen gehören zu der alleruntersten Kaste und haben sonst null Chancen.“
Franziska: „Ich bin daran, intensiv Italienisch zu lernen, weil ich mich im ‚Movimento AvaEva‚ engagiere. Als Biologin biete ich den ‚Grossmüttern‘ u.a. Wanderungen zum Thema ‚Pflanzen‘ an. Die Frauen helfen mir mit der Sprache, so dass mir das Italienische immer leichter fällt.“
Kea: „Dass es dem Kalifornische Mohn in deinem Garten nicht zu gefallen scheint, ist nicht deine Schuld. Ich habe ihn in meinem Garten in Kalifornien ausgesät und nichts ist passiert.“
Madeleine: „Als Grossmutter brauche ich ein grosses Auto und eine grosse Kuchenform.“

In diesem Jahr gibts Johannisbeeren in reichen Mengen – es ist ein Geben und Nehmen in Form von leckeren Kuchen und Konfitüren. Gelee für die Spitzbuben wird auch noch eingekocht.

Hulk

(„Blumenmädchen“ das Grüne ist von Jeff Koons, Foto: FAZ, 24.06.14)

Natürlich ist meine Freundin Caroline selber gross, trotzdem konnte ich’s nicht lassen, ihr den klugen Rat eines Mannes für ihren ersten Besuch der Art Basel mit zu geben:
Schaue nur – Kaufe nichts! (Simon de Pury, Kunsthändler).

Hier das „klitzekleine querschnittchen-appetithäppchen von der art basel“ für die Daheimgebliebene:

Liebe Frau Blogk
um es grad vorwegzunehmen, ich fand die art basel ganz famos. wir waren zu viert, schwärmten aber im zweierteam durchs geschehen. mittags kurz eine sehr überteuerte bratwurst und ebensolches wasser einverleiben, dann gings weiter. geschaut hab ich viel, gekauft natürlich nichts. wenn man für ein gütterli wasser schon 6.50 bezahlt, liegen schiele, botero, miró … nicht mehr drin.
es hatte hammersaumässiggute werke! frisch gewagtes, zum beispiel ein asiate, der zig hundert murmeln zusammenklebt. zu sehen war ein krieger, sitzend, lebensgross. ich stelle mir schon mal gerne vor, wie der körbeweise glasklare märmle in seinem atelier zu stehen hat. vielleicht ein wenig chaotisch werkelt, die glaskugeln auch den boden bekugeln, der künstler in fiebriger andacht am werk, rutscht aus, wahrscheinlich nicht murmelnd, sondern sich laut artikulierend! unsereins, die des fernöstlichen nicht mächtig sind, nicken trotzdem mitfühlend.
aber nicht nur die kunst hatte es mir angetan, auch die leute waren sehenswert. wie schillerndschrill gezierte fische, gleiten sie, oft im schwarm, vorüber. wunderbar!
ich finde auch jeff koons immer erfrischend (ja, der mit der Cicciolina, sagt frau Blogk). er arbeitet mit metall. das fertige produkt scheint schwebend leicht. seine kunterbunten werke sehen aus wie die ballontierchen, die clowns, vielleicht auch superclowns? … für kinder anfertigen. ausgestellt war ein aufgeblasener badedelfin mitsamt haltegriffen und ventil. so gut! die dinger sehen wirklich federflockigleicht aus. wenn man aber klopft, was man natürlich nicht soll, tönt es metallisch. sehr verspielt, sehr vergnüglich sowas zu sehen.
nach fünf stunden intensiver kunstkonsumation waren wir doch recht knille. so viele eindrücke. ich habe heute morgen im radio gehört, dieses jahr gab es einen besucherrekord, und das die art basel die grösste kunstmesse der welt sei!!! wusste ich nicht.
nächstes jahr gehe ich gerne wieder!

ganz ungekünstelte, dafür herzliche grüsse, sende ich dir in deinen montagabend.

Caroline

Kefen I Kefen II

Als vor einigen Tagen zu später Stunde ohne jegliche Vorwarnung und wie durch Geisterhand mein Faden zum Weltnetz riss, galt meine erste Sorge dem unvermeidlichen Kontakt mit dem Contactcenter meines Anbieters.
Ich gehörte zu denen mit den schlechten Callcenter-Erlebnissen. Umso erfreuter war ich, mit einer freundlichen Beraterin zu sprechen, die mich, ohne auf mein Alter oder Geschlecht hinzuweisen (Stecker nicht eingesteckt, Computer nicht aufgestartet, haben Sie überhaupt einen Computer …), durch eine Liste möglicher Fehler lotste – zwar ergebnislos, aber über ihren Feierabend hinaus. Ein Techniker sei nicht zu umgehen, und der werde mich am nächsten Tag anrufen. Als Herr Guggisberg sich wie versprochen am andern Morgen meldete, bat ich ihn, auf dem Weg zu mir noch schnell im Verteilerkasten an der Melchstrasse vorbei zu sehen, es könne ja sein, dass sich dort die Kabel … Das tat Herr Guggisberg und stellte sogleich fest, dass ich „ausgeschlauft“ wurde. Weshalb, das könne er sich auch nicht erklären. Umgehend werde er mich wieder „einschlaufen“ und alles sollte wieder klappen. Merci vielmal, das tat es!

Schon lange hatte ich keine netzlosen Tage. Ich las das dicke Buch fertig, dazu ein paar Kritiken von schlauen Leuten und einige andere Bücher zum Thema. Jeden Tag schwamm ich einsame Runden in „meinem“ noch sehr kalten Bad, jeden Tag schaute ich im Garten vorbei, zupfte dort, grub hier, hackte überall ein bisschen, schaute den Pflanzen beim Wachsen zu und besuchte die Nachbarinnen in ihren Gärten.

Heute habe ich die ersten Kefen geerntet. Sie sind süss und saftig.

Kefen & Co. Rosen

An die Abstimmungssonntage in meiner Kindheit erinnere ich mich noch. Vater ging dann „gsunntiget, geputzt und gestrählt“ der Kirche zu, um etwas Wichtiges zu erledigen, was wir Kinder, die mit der Mutter daheim bleiben mussten, nicht verstanden. In meiner Erinnerung scheint an diesen besonderen Sonntagen immer die Sonne.

Heute stehe ich früh mit dem ersten Vogelgezwitscher auf. In aller Ruhe will ich mich dem Ausfüllen des Stimmzettels widmen. Zuerst gilt es, den billigen Amtsumschlag richtig zu öffnen. Nämlich nicht oben im Falz (Bitte nicht hier öffnen!), sondern beim schlecht perforierten Streifen weiter unten. Denn den ausgefüllten Zettel muss ich in diesem Umschlag wieder zurück senden. Damit meine Stimme nicht etwa ungültig wird, halte ich mich strikt an die Anweisungen und fest an die bezeichnete Ecke:

Festhalten

Immer wieder gibt es Leute, die von mir wissen wollen, wie ich stimme oder wen ich wähle. Daraus mache ich kein Geheimnis, stosse manchmal auf Erstaunen, wenn ich z.B. einen Parteigenossen nicht wähle, gegen eine „Wohnzone für alternatives Wohnen“ oder gegen sonst etwas bin, das auf den ersten Blick sozial daher kommt.
Die Volksabstimmung vom 18. Mai 2014 ist ein richtiger Brocken, ist meine Meinung doch zu eidgenössischem, kantonalen und städtischen Belangen gefragt.

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Aus meinen Reisenotizen vom 15./16. April 2013

Gestern
wurden Zimtkolibri, Kugelfisch, Ohrenqualle, Mistkäfer und Schneeaffe
geehrt. Das finde ich löblich, denn sie gehören – wie die Wanzen – auch zum Ganzen. Ich habe mir kurz überlegt, wen oder was ich zum Tag der Erde ehren würde.
Wenn auch im Vergleich zu Zimtschneekugelohrenmist, recht unoriginell (zu oft fotografiert) und wahrscheinlich auch zuwenig bio-divers, das hier:

The View

Das Navajo-Hotel „The View“ im ersten Morgenlicht vom Wildcat Trail aus gesehen.
Alle Balkone sind nach Osten ausgerichtet und haben …

Ins Tal

… diese Aussicht!
Kurz nach 6 Uhr morgens. Noch ist um diese Zeit kaum jemand auf dem Wildcat Trail unterwegs, obwohl ein Greenhorn wie ich darauf wartet, dass er im Garacho zwischen East Mitten Butte und Merrik Butte auf feurigem Pferd heransprengt. Aber nichts dergleichen, nur auf einer Felsplatte etwas abseits des Weges ein Geländewagen mit Alutrailer, davor einige Männer eifrig am Telefonieren – Filmleute von Lone Ranger?
Immer weiter fahren wir hinein ins Monument Valley, welches eigentlich gar kein richtiges Tal, sondern eine weite Ebene ist, aus welcher sich die unglaublichsten Felsformationen erheben, von Riesen fallen gelassene Blöcke in Form von Kamelhöckern, Daumen, Fäusten, Totempfählen, Thronsesseln, Frauengestalten (Three Sisters).

Fasziniert schauen wir zu, wie die Sonne aufgeht, machen ein paar Fotos, auf welchen wir neben den Felsen aussehen wie Winzlinge. (Auch das Auto, ein Infiniti QX 56, steht für einmal klein da unter einem so mächtigen Thumb-Butte und lässt die Motorhaube hängen. Ist es sich doch gewohnt, von japanischen Touristen, Polizisten entlang des Rio Grande, Hotelpersonal und Berner Grossmutter ohne Führerschein und Fanin von Fahrkomfort, bewundert zu werden. (Entsch …, über Autos schreibe ich sonst nie.)
Obwohl es Abertausende von Monument-Valley-Fotos gibt, sogar in unserem Quartieranzeiger wurde letzthin eins publiziert, geben nur die folgenden Aufnahmen von 2nd, female diese einzigartige Morgenstimmung wieder – der Beginn eines unvergesslichen neuen Erdtages – für uns Touristen.
Hier gibt es Navajo-Familien, die 16 Kilometer vom nächsten Brunnen entfernt leben.
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Tulpe mit Kind

Eine Osterblume für die Grossmutter

Nach dem Spiel Eierfärben ist vor dem Eierfärben.
Nie hätte ich gedacht, dass sich die Offene Karfreitagstür im Block über vierzig Jahre halten würde. (Auch dieser Satz ist eine Repetition).
Alte und Junge, neue und langjährige Färberinnen und Färber sind in den Gemeinschaftsraum gekommen, um in einer gemütlich chaotischen Runde ihrer Ostereier zu färben. Die drei Rechaudplatten waren bis aufs Äusserste gefordert, denn in diesem Jahr wollten 300 Eier gekocht werden – eines schöner als das andere. Wunderbarerweise fehlt es uns nicht an Nachwuchs. Mit Begeisterung, Geschick und Ausdauer ordneten die Kinder die Kräuter auf die zerbrechlichen Schalen und wählten geziehlt den Farbsud aus. Dazwischen wurden Züpfen, Brote, Käse und Kuchen verputzt. Zum Glück kam der Hausmeister pünktlich aus den kosovarischen Bergen zurück, denn auch die Kaffeemaschine wurde bis zum Äussersten gefordert und verlangte nach ihrem „Barista“.
Danke allen für die sehr feinen Gaben aufs Kalte Büffee und 2nd2nd, female für die Mithilfe bei Vorbereiten!

Für die Daheimgebliebenen gabs heute den traditionellen Osterbrunch mit Nestsuche für die Kleinkrähen und Tütschen für alle. Osterhasenverächterin (besitzt eBook Reader) wurde mit 1080 g Lesefutter beschenkt, juppi!!

Eier mit Kraut

Schöne Oster- und Pessachtage wünscht allen die Blogk-Familie

Grenzgebiet

Schafherde um Pobergjë im Westen von Kosovo

Nein, den Dia-Abenden bei herum gekommenen Freunden traure ich nicht nach, auch nicht den Umschlägen, welche man gegen korrekten Abholschein im Fotogeschäft ausgehändigt bekam, nachdem man eine Woche auf die Entwicklung der Ferienfötis gewartet hatte.
Mir kann man mit „Handy“-Bildern aus allen Gegenden der Welt eine Freude machen! Ich schaue dann auf Karten nach, suche Informationen zu den Orten, zur Kultur, der Geografie, den Tieren und Pflanzen – komme vom Hundertsten ins Tausendste, erinnere mich an meine eigenen Reisen – einfach super spannend!

Heute regnet es in Deçan, im gebirgigen Grenzgebiet von Montenegro und Albanien.
2nd2nd, male besucht für ein paar Tage seine Verwandten in einer der 36 Ortschaften dieser Grossgemeinde.
Hier einige Frühlingsimpressionen aus dem Grenzgebiet:

Sonnenplatz

Ottomanen unter freiem Himmel warten auf Gäste mit Sitzleder

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Juppi!

… noch ein bisschen Tanz und Fussball im leeren Bassin, denn schon bald kommt der Stadtbach, dann heisst es nur noch schwimmen.

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White Sands

(Reisenotizen vom 12.04.2013)
Im Hintergrund nach Westen die San Andres Mountains …

Ledig habe sie Dupont geheissen und sei dann bei ihrem Besuch in der Schweiz tatsächlich in einem „Hotel Du Pont“ übernachtet, erzählt die Managerin des Bookshops. Ich kaufe eine Postkarte und eine Einkaufstasche aus ökologischem Material im Info Center des National Monuments, dann schaue mir den Film über die Entstehungsgeschichte dieses Naturwunders an.
Denn wieder bin ich an einen Ort gekommen, von dem ich noch nie gehört hatte: White Sands. Der Name ist irreführend. Es ist nicht Sand, sondern feiner Gips, der sich als strahlend weisse Dünenlandschaft über 470 Quadratkilometer vor den Besuchern ausbreitet. Man kann sie auf markierten Wegen – den Trails – in verschiedenen Längen durchwandern.
Ein bisschen mulmig wird mir schon, als 2nd, male und 3rd, male zwischen den Gipshügeln auf dem Alkali Flat Trail verschwinden. (Verirrte sollten sich nur oben auf die Düne setzten, damit sie von den Rangern gefunden würden).
Tiere und Pflanzen haben sich an die aussergewöhnlichen Bedingungen angepasst, so dass der blasse Gecko nur ein Vorüberflitzen ist. Hier und da ragen spitze Laubblätterbüschel von Yuccas mit ihren Blütenrispen aus den Dünen während ihre Stämme tief darin versteckt bleiben. Der Gips unter den Füssen fühlt sich kühl an.
Einige Kinder schlitteln auf Plastikbobs, keine sichtbaren Testflüge, keine Dreharbeiten für Brautkleider oder Autos, weder Mountain- noch andere Biker und auch keiner, der die Kleider vom Leib reisst und sich vor lauter Natur nackt über die Dünen schmeisst.

Später dann auf der einsamen Interstate 70, überholt uns – gesetzteswidrig schnell – ein Soldat auf dem Motorrad. Seine Uniformhose flattert im Wind und das Hemd bläht sich auf dem Rücken auf.

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Olivenöl

Olivenöl von Haddsch Boras

Mit einem langstieligen Löffel rührt meine Nachbarin den goldbraunen Inhalt des Glases sorgfältig um. Das kostbare Arganöl müsse wieder mit der Mandel-Honigmasse vermischt werden. Anschliessend gibt sie jedem etwas Amlou in ein Tellerchen. Eigentlich bin ich auf ein Frühstück mit Kaffee und Gipfeli eingestellt, aber nun siehts mehr nach „Berber“ aus. Während wir beiden Frauen Brotstücke in Amlou tunken, Kaffee trinken, dazu frische Ananaswürfel essen, lerne ich eine weitere Persönlichkeit aus dem fernen Magreb kennen: Haddsch Boras, Produzent dieses weltbesten Amlou (mit Mandeln und nicht etwa mit den billigen Erdnüssen).

Er hält diskret den grössten Teil der regionalen Fäden in der Hand, trägt ausser an Festtagen immer einen blauen Arbeiter-Overall, packt an, seis an der Ölpresse, bei den Bienenstöcken, der Ernte der Arganmandeln und Oliven, auf seinen Fangbooten, beim Ausnehmen der Fische, dem Seifensieden oder in seinen Hotels. (Meine Nachbarin nimmt an, dass der Overall eine Tarnung ist, denn Monsieur Boras hasst es, ständig von Bittstellern belagert zu werden). Der „Häsh“ (Haddsch) schätzt die Gesellschaft von Europäern, kauft Ölpressen ausschliesslich in Deutschland, hilft Fremden bei Schwierigkeiten mit Behörden oder wenn ihnen z.B. die Autoreifen aufgeschlitzt worden sind – aber sein Gott ist der Einzige. Die Moschee im Ort liess er bauen. Am Freitag ist Couscous-Tag, das heisst, dass die ganze Region zum freien Essen eingeladen ist. Dann übernimmt Boras‘ Frau – ebenso Mekka gepilgert und deshalb „Häsha“ (Haddscha) – mit ihrer kräftigen Stimme das Kommando über die Helferinnen.

Bis wir das Amlou aus den Tellerchen gewischt haben, höre ich noch einige Geschichten aus der Gegend von Essaouira, Sidi Kaouki, Tamanar und Agadir.
Zum Olivenöl schenkt mir die Nachbarin auch noch eine Argan-Seife.

Arganseife

Juppi, schon bald werde ich falten- und cellulitefrei sein, eine makellose Haut, seidig glänzendes Haar und nie mehr rissige Nägel haben! Sobald dieses Wunder eingetreten ist, werde ich hier ein Foto aufschalten.

Jeden Abend telefoniert Frau Stoll aus dem 11. Stock mit ihrer Tochter in der Innerschweiz. Nun ist die Neunzigjährige während des Gesprächs über das Telefonkabel gestolpert. (Kabellos kam für sie nie in Frage). Der Hausmeister, bereits im Pyjama, erhält von Frau Stolls Tochter einen Notruf. Eilig zieht er sich an. Für solche Fälle hat er einen Wohnungsschlüssel von den Angehörigen erhalten.
Er findet die Gestürzte ins Kabel verwickelt auf dem Boden vor dem Küchentisch.
Zuerst stellt er sich der Frau vor und sagt, dass er ihr jetzt helfen werde aufzustehen. „Ja, ja, Sie sind der mit den schönen Zähnen“, meint Frau Stoll und lässt sich stützen, während der Hausmeister am Handy die Tochter hinter den sieben Bergen beruhigt.
Eigentlich kam die alte Frau in die Küche, um etwas zu essen, aber es ist nichts da. „Mögen Sie Reis? Ich habe für meine Kinder welchen gekocht und hole Ihnen gerne etwas.“ Hurtig bringt der Hausmeister Reis und Gurkenscheibchen, setzt Wasser für Kaffee auf.
Frau Stoll fühlt sich wohl und erzählt trotz der späten Stunde munter von ihren Lieblingen, den Katzen. Alles in der Wohnung ist mit Katzenbildern geschmückt, natürlich auch der Lavabostöpsel. Auf dem Tischset ist eine Aarelandschaft mit grüner Wiese abgebildet und darauf ein winziger roter Punkt. Das sei ihr VW Golf, den man ihr weggenommen habe. Noch immer schmerzt die Trennung von ihrem geliebten Auto. So etwas verkraftet man nie mehr. „Sie müssen den Kaffee trinken, solange er noch warm ist,“ sagt der Hausmeister. Nein, ins Altersheim möchte Frau Stoll nicht, da sind lauter fremde Leute. „Aber ich bin doch auch fremd und nun reden Sie schon nach wenigen Minuten mit mir,“ gibt der Hausmeister zu bedenken, „Sie würden dort viele antreffen, die sich mit Katzen auskennen und Sie wären nicht mehr allein.“
Wer weiss, vielleicht kommt es einmal so weit, aber nicht jetzt, jetzt möchte Frau Stoll noch ein bisschen Musik hören von ihrem besonderen Liebling. Der Hausmeister hilft mit der CD, wünscht eine gute Nacht und verspricht, am Morgen wieder vorbei zu schauen.
Den nächsten Abend wird „Aeschbi“ übernehmen, bis dann wieder die Tochter aus dem Innern der Schweiz anreist, um sich um die Mutter zu kümmern.

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