Sie laufen heimlich ab, versperren einem den Platz in Geldbeutel- und Taschenfächern und brodusiern oft Apfal, alle diese Bons, Kleber, Stickers, Goldpunkte, Märkli, Rubbellose usw. Eigentlich finde ich jegliche Art von Gutscheinen mühsam – Bücherbons ausgenommen.
Trotzdem freute ich mich, als ich neulich beim Abstauben einen Umschlag mit einer Geschenkkarte hinter einem Fotorahmen fand: Fr. 100.- für Ihr Coiffure mit der besonderen Atmosphäre und dem gewissen Etwas (deutsch: Ihr Frisur mit der besonderen Atmosphäre und dem gewissen Etwas??).
Ein guter Anstoss, vor den Festtagen wieder einen schön geformten Hinterkopf zu holen. Zum Glück hat Gutschein Nr. 1666 kein Verfallsdatum. Er muss schon sehr lange hinter dem Bild gesteckt haben, was leider nicht gerade das beste Licht auf meine Abstaubmoral wirft.
Vor dem CoiffeurCoiffure-Salon greife ich zur Karte in meiner Tasche – vergebens. Sie ist weg.
Wowiewannwarumwer ratlos und mit immer noch flachem Hinterkopf komme ich nach Hause. Hier ist er auch nicht. Ich telefoniere versuchshalber in die Coiffure. Eine freundliche Nadine hört mir zu und verspricht, den Fall ihrem Chef darzulegen. Falls es eine noch offene Nr. 1666 gibt, höre ich von ihr.

Alles hat geklappt. Nadine hat mir eine neue Geschenkkarte geschrieben, sie mit Goldstift verziert und an der Coiffure-Kasse deponiert.
Bereits einen Tag später sitze ich in der besonderen Atmosphäre und dem gewissen Etwas bei Ramona. Sie mischt ein Pfirsich-Lavendel-Shampoo, erklärt, dass sie meine grauen Haare damit aufhelle, weil graue Haare oft eine leicht urinfarbene Gelbspur hätten. Ups, ich glaube, sie will mir so einen Gelbspurwegspüler verkaufen. Ich möchte nicht und betone, dass meine Haare überhaupt nicht die geringste Gelbspur aufweisen würden. Ich sei prima zufrieden mit meiner Haarfarbe, grau hin oder her.
Ramona weiss, wann’s genug ist. Sie habe ihr Haar rot gefärbt, als das noch nicht so in Mode gewesen sei. Inzwischen sieht ihr Pferdeschwanz etwas orange und struppig aus.
Soll sie mir die Haare bis oberhalb der Ohren kürzen, hinten wieder in die Spitze schneiden? Lieber stumpf oder etwas wild? Wild ist ok. Sie schabt mit dem Messer über meine Haarsträhnen und schüttelt die feinen Büschel ab. Dabei vernehme ich, dass Ramona heuer dreimal Weihnachten feiern darf: zuerst mit dem Götti, der Geburtstag hat, dann mit der Familie und zum ersten Mal nach drei Jahren Zusammensein mit der Familie ihres Freundes. Darauf freut sie sich sehr, und „ds Mami vom Fründ“ freut sich auch, denn die Familie besteht nur aus drei Personen und da macht ein Zuwachs sehr glücklich. („Und erst noch ein so netter“, schiebe ich ein.) Weihnachten zu Dritt ist ja auch ein bisschen mickrig, sinniert die junge Frau.
Soll sie ein bisschen Schaum? „Ja, bitte, lieber als Spray“.
Ramona hat das gut gemacht. Kein Mensch sieht, dass ich bei der Coiffeuse war, obwohl der Hinterkopf doch nun nicht mehr so „vertätscht“ ist.

Ich kaufe noch kurz etwas ein beim Orangen Riesen. Die Frau an der Kasse macht keine Anstalten, mir die Sammelmarken für die Teddybären zu geben. In der Regel werde ich gefragt: „Sammlet dr d’Chläber?“ Nun frage ich, ob es hier in dieser Filiale auch Stickers für die Bären gebe. „Natürlech, steit hie amene Ort Coop?“ werde ich von der kosovarischen Kassiererin gefragt. Sie gibt mir fünf Stück, Dafür hätte ich eigentlich für Fr. 100.- einkaufen müssen und nicht nur für Fr. 46.35. Die Bons-Muffelin eilt nach Hause und klebt gleich den Stickerbogen für einen Teddy voll.
Am nächsten Tag kann sie dann Bärchen Mira mit der blauen Masche über dem linken Ohr abholen.
Neben einigen kleineren Bons bleibt mir noch ein Geschenk-Gutschein im Kosmetik-Studio von Daniela: Legen Sie Ihr Alltagsstress beiseite und lassen Sie sich verwöhnen.
Noch vor Weihnachten werde ich das Alltagsstress beiseite legen und mich – ich bin noch unschlüssig – entweder mit einer Wimperndauerwelle oder einer French Lackierung verwöhnen lassen.
Ich bin voll und ganz mit dem einverstanden, was noch auf Danielas Kosmetik-Prospekt steht:
„Die Schönheit der Dinge lebt in der Seele dessen, der sie betrachtet.“
Somit könnten der neu geformte Hinterkopf, die Wimperndauerwelle und auch die French Lackierung überflüssig werden.

Auf jeden Fall hindert mich nichts daran, noch vor Jahresende im Kino REX einen Film anzusehen. Ich habe zwei Kino-Bons à Fr. 17.- plus je Fr. 7.- für ein Cüpli.