Ich befinde mich in einem riesigen, niedrigen Raum, einem Luftschutzkeller aus Beton, zugänglich nur durch Türen aus Stahl und drei Stockwerke unter der Erde. Darin so weit das Auge reicht Büchergestelle aus Metall. Auf den Tablaren in Doppelreihen steht Band an Band. Wer hier etwas nachschlagen will, muss sich auskennen in einem speziellen Ordnungssystem oder einen Eingeweihten fragen. Ich weise mich aus, dann werde ich zu meiner Signatur geführt. Sie befindet sich im Gang 15/16. Sobald ich fertig sei, solle ich mich beim Empfang melden, damit das Archiv wieder abgeschlossen werden könne.
Ausser dem leisen Brummen der Luftbefeuchtungsgeräte dringt kein Laut an mein Ohr. Nach einer Stunde bin ich fertig und will die Gruft verlassen, aber die Tür ist abgeschlossen. Mein Handy gibt einige Gluckser von sich und verstummt. (Dabei habe ich doch gerade für solche Situationen vorgesorgt und den Anbieter gewechselt). Kann man nach einem „toten“ Handy suchen, wie ichs in den Krimis gesehen hatte? Ich ziehe den Wänden nach auf der Suche nach einem Telefon – nichts. Wie lange würde es dauern, bis jemand dieses trostlose Untergeschoss von aussen betreten würde? In welchen Abständen werden die Verdunster nachgefüllt? Wann würde mich jemand vermissen? Ruhe bewahren, Ruhe bewahren.

Bei meiner Suche nach einem Telefon komme ich in einen weiteren höheren Raum mit einem schweren Schreibtisch. Der Bunker eines Generals aus dem letzten Krieg? Endlich eine Tür, die sich öffnen lässt. Sie führt in ein dunkelschwarzes Treppenhaus. Während ich nach einem Lichtschalter suche, fällt sie hinter mir zu. Ich bin in einem Sarg ohne Licht, ohne einen Laut. Ich hoffe, dass sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnen, tun sie aber nicht. Hier findet mich kein Mensch. Das ist die geheimste Treppe aller Treppen in Bern, dessen bin ich sicher. Ich steige vorsichtig mit meinen beiden Taschen von Stufe zu Stufe, zähle sechs Stufen, dann nimmt die Treppe eine andere Richtung, wieder sechs. Stolpern verboten. Es wird gegen oben etwas heller, dann auf dem Boden ein Lichtstrahl. Hier könnte ich einen Zettel durchschieben. Aber vorerst taste ich die Wand ab, suche nach einer Klinke und da ist sie!
Ich trete aus der Tür und stehe vor dem Büro des Direktors. Dieser legt den Kopf schief, öffnet den Mund ohne etwas zu sagen. Ich sehe es in seinem erschrockenen Gesicht: Er wusste bis jetzt nicht, dass es in dieser Wand eine Tür gibt.
„Einen schönen Tag noch, tschüss!“ Ein Stockwerk höher steige ich aus dem Lift und trete hinaus in die Mittagssonne.
Am Abend treffe ich meine Kolleginnen und Kollegen, esse griechisch und trinke zwei Stangen Bier. Die rote dreibeinige Katze, die totgeglaubte, hüpft über die Mattenhofstrasse. Das 2 : 2 verpasse ich, meine beim 3 : 2, es sei erst 2 : 2. Mehmet, der Kellner ist sehr zufrieden mit dem Ausgang des Spiels, hätte eigentlich am liebsten immer nur Schweizer, Deutsche und Holländer als Sieger, da Kroaten, Russen und Türken seine Beiz nicht frequentieren und nur in den eigenen Clubs feiern. Martin und Yvonne begleiten mich zum Bus. Zusammen mit meiner Nachbarin, der Polizistin, fahre ich heim. Sie sagt:
„Solch herrliche Sommerabende müssen wir geniessen, sie sind gezählt.“