Eine von mir hoch geschätzte, oft gekaufte und verschenkte Zeitschrift wie das Lettre International liess den Bankvorsteher Herr Sarrazin eine Vorlesung halten, anstatt ihn kritisch zu interviewen. Damit nicht genug, die Redaktion stellte den Ausführungen im ganzen übrigen Themenheft „Berlin“ auch nichts Brauchbares entgegen. Keinen Bericht zum Beispiel über die grenzenlose, niederschwellige und wegweisende Jugendarbeit, die in Berlin häufig und mit geringen Mitteln gemacht wird. (Unser Quartier profitiert von der Einwanderung berlinerischer Sozialarbeiter „mit Migrationshintergrund“, die verdammt gut mit Rückschlägen umgehen können und die hier bei den Indigenen des Quartiers wie auch den Migrantinnen und Migranten hohe Akzeptanz geniessen.) Nun muss ich also auch noch damit leben, dass offenbar viele Sarrazins Äusserungen gut fanden.

Ich bin die erste, die Probleme in der Integration anspricht, die sich unbeliebt macht bei den Zugewanderten, die mehr Sonderbehandlung möchten, bei den Alt-Sozialisten, die so manche Verordnung für ungerecht oder gar rassistisch halten, bei den Stammtischgängern, die einfach mal draufhauen wollen, beim Steuerzahler, der sich vom Fremden und Anderen immer und ewig geplündert fühlt.

Aber Pauschalisierungen schaffen Ungerechtigkeit. Und Pauschalisierungen in den Medien sind Gift. Nur gehört das heute offenbar zum Geschäft, immer mit der Begründung, dass es gefragt und alles Differenzierte so teuer sei. Medien, die Gegensteuer geben, werden wenig beachtet. Nun braucht also sogar die von der Intelligenzia der Friedensbewegung mit Elan, Herzblut und Gemeinsinn gegründete Kulturzeitschrift den „Kampf der Kulturen“ für ihre Auflage.

Als Antwort der pauschal Verurteilten können wir den Tastaturschlag in die Fresse lesen (danke, kaltmamsell). Gegen den moralischen Zerfall der Politik und Medien in Integrationsfragen müssen wir jedoch alle selber argumentieren und schreiben und – in der Schweiz – auch abstimmen:

Nein zur Volksinitiative für ein Minarettverbot, nein zur Diskriminierung, nein zum Eingriff in die Grundrechte. Nein.

Dafür jeden Tag wieder ja zur Bildung für alle, ja zur Aufklärung, ja zur Chancengleichheit, ja zu unserer Verfassung.

Integration ist schwierig. Für jeden und beidseitig. Danke für die Kenntnisnahme.