In der Schweiz gibt es davon unzählige, seis in den Bergen, im Emmental, im Gantrischgebiet, in der Stadt, die zeitweise eine einzige Baustelle ist, vor meinem Block, wo das erste Libeskind-Einkaufszentrum der Welt entsteht.
Der Röstigraben, Abgrund zwischen DeutschweizerInnen und Welschen, ist sogar im Ausland bekannt.
Es gibt auch den Graben zwischen Stadt und Land. Diesen überquere ich jede Woche einmal im Postauto um meinen betagten Eltern im Haushalt zu helfen. Obwohl ich viele Jahre in diesem Bilderbuchdorf am Jakobsweg verbracht habe, ist es für mich noch heute beinahe unmöglich, einer Unterhaltung zu folgen, bei der es um alt eingesessene Familien geht. Sie werden nach ihrem Hof, dem Vornamen oder dem Amt eines Vorfahren benannt und jeder neuen Generation angepasst: Chorrichters Fritzus Fritzes Fritz, Franzes Öttus Fridu, Chaschpers Brächts Käthi, verwandt mit Chaschpers Peter, Postautochauffeur, auch Kloster-Peter oder Pöschtli-Peter genannt, nicht verwandt mit Klosters Käru, glaube ich. Hublers Fridu und Statthalters Housi waren in den frühen Zwanzigern die Bösen Buben, die den Pfarrer im Pfarrhaus einschlossen, die Tür mit einer Kette verrammten, einen Nachthafen dran hängten. Der Pfarrer entkam durchs Fenster. 90jährige Einheimische erinnern sich noch heute an den verspäteten Predigtbeginn. Dieser Hubler Fridu war überhaupt ein Grossartiger (Prahlhans), fuhr er doch sogar mit dem Jauchefass zweispännig durchs Dorf. Zbindens Bärtu, verwandt mit Z’Ammens, kennt man unter dem Familiennamen der Mutter, da diese aus einer reicheren Familie stammte als sein Vater. Brüggmatters Dölfu und Rüedu waren zugezogen aus einem Hof über einem schattigen Graben …
Die neue Zeit hält aber stetig Einzug ins Dorf und mit ihr auch Familiennamen, die man im Telefonbuch findet. Am Dorfeingang wird emsig gebaut, von der Landwirtschaft allein leben nur noch wenige. Die Sauberkeit hinter dem Haus habe nachgelassen und einen „gezöpfelten“ Miststock finde man auch nicht mehr. Wie ich im einzigen Dorfladen höre, sind die EFH-Mütter froh, dass ihre Kinder nicht den Gefahren der Stadt ausgesetzt sind. Die Gemeinde hat sich bis jetzt auch erfolgreich dagegen gewehrt, den gesetzlich reglementierten regionalen Kulturbeitrag an die Stadt zu bezahlen.