Zum beinahe vergessenen Jubiläum „175 Jahre Volksschule“ hier die Titelseite meines liebsten Lesebuchs. Endlich habe ich eine bezahlbare Ausgabe gefunden, illustriert von Ernst Kreidolf und bearbeitet u.a. von Elisabeth Müller

Was vor 175 Jahren aufgeschrieben wurde:

Jedes Kind hat Anrecht auf Bildung
Der Schulbesuch ist obligatorisch
Der Unterricht dauert das ganze Jahr
Im Sommer sind es 18, im Winter 24 Stunden pro Woche
Pro Jahr gibt es 8 Wochen Ferien

Erinnerungen an meine Schule 1951
Fräulein Schneider trug einen Bubikopf und einen gestreiften Pullover mit weiten Kimonoärmeln. Sie fuhr ein Velosolex, welches manchmal den Geist aufgab und dann vom jungen Lehrer im Biembach repariert wurde. Zu sagen, die beiden hätten etwas miteinander, war streng verboten und wurde mit langem Stehen in der Ecke bestraft. Im Winter durfte die Lieblingsschülerin Trudi in der grossen Pause in die Wohnung der Lehrerin gehen, um am Holzofen die Falle zuzudrehen, damit die Wärme im Zimmer blieb. Fräulein Schneider konnte mich von Anfang an nicht leiden. Ich trug ihr das nicht nach, denn es gab so viele herzige Kinder, wie einem Ankerbild entspungen in der Klasse. Ich dagegen hatte magere Zöpfe und schielte. (Es dauerte einige Jahre, bis ich nicht mehr vo dr Suppe i-d-Schnitz schauen musste).
Als ältestes Kind in der Familie kam ich völlig unvorbereitet in die 1. Klasse. Ich wunderte mich, dass niemand ausser Fräulein Schneider und mir lesen konnte. Zwar kannte ich nur die Frakturschrift von den Bibeln und Traktaten meiner Grossmutter, aber sobald das Lesebuch mit „Summ, summ, summ, Bienchen summ herum“ verteilt war, gewöhnte ich mich schnell an die neue Schrift und bedauerte es, dass ich das Buch schon am ersten Tag fertig gelesen hatte. Davon erzählte ich in der Schule nichts und übte fleissig Buchstabe um Buchstabe. Für gutes Lesen gabs ein Märchenbildchen. Wie ich es anstellte, nur wenige davon zu bekommen, weiss ich nicht. Einmal band mich Fräulein Schneider mit den Zöpfen an der Stuhllehne fest. Wahrscheinlich zur Strafe, weil ich dem Hansi Jegerlehner, der direkt vom Stall in die Schule kam, etwas vorgesagt hatte.
Trotz allem ging ich gerne zur Schule und wollte unbedingt so werden, wie Fräulein Schneider, nur ohne Lieblinge und ohne erniedrigende Strafen – einfach die ideale Lehrerin.