Die Zukunft lesen
(Aus dem Fotoalbum von 1976)

Feriennotizen 24/07/10

Der Platz auf der Nordseite der Kirche ist leer. Weit und breit keine Gitanes, die den Touristen ein billiges Medaillon der Sainte Sarah in die Hand drücken, um den Überrumpelten dann Vergangenheit und Zukunft aus der Hand zu lesen. Verschwunden auch die kleinen Buben, welche in zu grossen Schuhen mit einem platten Fussball spielten, „Non“ sagten, wenn ein Touristenkind mitmachen wollte und auf ein „Pourquoi pas?“ antworteten „C’est la vie.“
Keine der fahrenden Frauen hütet heute die Kerzen in der Krypta und steht der hölzernen Heiligen bei, wenn sie tausendmal berührt, geküsst und geblitzt wird.

Schwarze Sarah
(Aus dem Fotoalbum 2006)

Ein Band mit einem Mix „Clayderman-Starlight Express“ berieselt das Kirchenschiff, zum Flüchten.
Das kleine Restaurant, in welchem die Gitarrenspieler früher nach Lust und Laune und meisterhaft spielten ist einem Kleiderladen gewichen. Der Ersatz für die verschwundenen Musiker knorzt mit viel Verkabelung und Bier an ihrem „Flamenco“. Die Tagestouristen klatschen und ich werde völlig trübsinnig.
Hoffentlich sind sie nur an die Demonstrationen nach Paris gefahren, denke ich.
Nicht, dass ich in den vergangenen 37 Jahren, in welchen ich das Städtchen regelmässig besuchte, je mit einem Zigeuner oder einer Zigeunerin ein Wort gewechselt hätte. Obwohl ich den Frauen auf dem Kirchenpaltz oft begegnete und einige mit der Zeit vom Sehen kannte, versuchten sie nie, mir aus der Hand zu lesen. Etwa vor zwei Jahren, als eine der alten einen noch etwas belämmerten Kunden verabschiedete, schaute sie mich kurz an und zwinkerte mir zu.