Das Grab meiner Mutter gehört noch zu den ungefassten, hat also noch kein Betonmäuerchen ringsherum. Die Erde müsse sich mindestens ein Jahr lang setzten. Hangseitig habe ich den schmalen Hügel mit Steinen befestigt, Lavendel und kleine blaue Aster angepflanzt – schlicht, im Gegensatz zu den übrigen Gräbern, die meist eine Fortsetzung des üppigen Fensterschmucks der Berner Bauernhäuser sind. Auf diesen Gräbern wird regelmässig gedüngt und gegen Ungeziefer gespritzt. Meist gehe ich auch beim Grab meiner Tante Marie vorbei, knipse die verblühten Tageten ab, während mir von der Trauerweide Regenwasser auf den Rücken tropft. Marie hatte ihrem Leben ein Ende gemacht, indem sie sich im Altersheim erhängte. Auf dem Grab ihres Mannes, weiter unten in der Reihe, jäte ich auch ein bisschen und denke an diesen geizigen Kauz, der sich Jahre lang vornahm, eine Schifffahrt auf dem
20 Kilometer entfernten Thunersee zu machen. Bevor er diesen Ausflug endlich in die Tat umsetzte, wurde er auf eine grössere Reise geschickt.
Er lebte nach dem Motto: „Wer zahlt, befiehlt.“
Ein ziemlich hässlicher Ort ist das Gemeinschaftsgrab – eine Ansammlung von schlampigen Blumen in Töpfen, Körben, Schalen und Kränzen mit ausgewaschenen Schleifen. Die Namen der Toten auf vergammelten Messingschildchen, aufgeschraubt auf eine Steinplatte, die Moos ansetzt.
Bussarde kreisen über der Trauerweide.
Für eine Weile setze ich mich zu der Wirtin auf die Terrasse. Sie schneidet Lampionblumen für die Tischdekoration. Am Abend ist im „Bären“ Rangverkündigung der Feldschützen.