Ob ich schon ein originelles Mitbringsel für den morgigen Besuch bei Freunden hätte, werde ich am Familientisch gefragt. Ich weiche der Frage aus und erzähle, dass der Hibiskus, den ich ihnen im Juni mitgebracht hatte, den Umzug in die Neubauwohnung ohne jegliche Blühhemmung überstanden habe.
Nun ist wieder etwas „Originelles“ gefragt. Brot und Salz? Nein, auf keinen Fall, meint meine Tochter T., davon haben die Freunde sicher mehr als genug erhalten. Sie spreche aus Erfahrung, denn in ihrem Quartier werde bei Umzügen Salz und Brot verschenkt. Wobei man besonders das Holzbrett, worauf die Gabe arrangiert sei, gut gebrauchen könne. Sicher sei’s mit diesem Brauch auch im Mattenhof ähnlich wie in der Länggasse. Also eher nicht Brot und Salz. Besser ein Buch, evtl. etwas Brasilianisches im Rückblick auf die Buchmesse? Nicht originell. Dann doch den Granatapfel, den ich im türkischen Laden gekauft habe. Eventuell auf einem Teller Pistazien aus biologischem Anbau und fairem Handel? Etwas zu originell, ausserdem fehlen meinem Apfel zwei Zacken im Blütenkrönchen, was nicht soo gut aussieht. Könnte sein, dass ich den Freunden damit mehr Mühe als Vergnügen beim Öffnen von Frucht und Kern bereite? Wie wärs mit Haus-Pralinen aus der Quartier-Bäckerei-Konditorei? Meine Familie ist skeptisch, denn verglichen mit Sprüngli & Co. sei diese Bethlehem-Schoggi doch sehr gewöhnlich und fein sei anders. „Das ist eben das Originelle,“ halte ich entgegen: „Aus der Region, für die Region, weit weg von Sprünglis, Eichenbergers, Tschirrens – einfach nur der reine Geschmack des Gewöhnlichen.“
Am folgenden Tag überbringe ich eine Schachtel Pralinen, eingewickelt in rotes Rosengeschenkpapier, verschnürt mit einem rotweissen Band. Meine sozialdemokratischen Freunde freuen sich – die Rose hat man ihnen ja längst aus der Faust genommen – wickeln aus, finden die Truffes wunderbar lecker. Nein, nein, ihr Geschmack sei gar nicht auf Sprüngli & Co. beschränkt. „So etwas kaufen wir meist zum Verschenken.“