Vater fühlt sich gut betreut im Regionalspital, obwohl er die PflegerInnen und ÄrztInnen, hauptsächlich aus Deutschland, meist nicht versteht. Wir Angehörigen versuchen zu übersetzten, erklären, dass es nichts bringt, Vater mit immer lauter werdender Stimme anzusprechen. Wahrscheinlich gibt auch sein Landberndeutsch einige Probleme. Aber irgendwie scheints zu klappen. Man ist froh um jeden Patienten, jede Patientin, denn die Tage der kleinen Spitäler sind aus Spargründen gezählt.
Am Sonntag steht Kalbfleisch auf dem Speisezettel. Ohne Vater! Bewusst hat er noch nie Kalb gegessen. Er weiss, wie gemästet wird, will kein Plätzli vom Kalb. Er wird eine Blätterteigpastete mit Sauce bekommen. Dagegen gibts keine Einwände.
Nachts sitzt er oft auf dem fremden Bett, schaut zum Fenster hinaus auf die bekannte Voralpenkette, deren markanteste Gipfel beleuchtet sind. Letzte Nacht wurde die nahe Grube mit Kies aufgefüllt. Vater hat den Lastwagen zugeschaut, bis er gegen fünf Uhr morgens ein bisschen schlafen konnte. Obwohl sein Sehvermögen abgenommen hat, entgeht ihm nicht, dass die Kühe auf dem „Schnarz“ das Gras abgeweidet haben und nun zu Tal gebracht werden.
Ausser frischer Wäsche brauche er nichts, nur eventuell bei Gelegenheit, es pressiere aber gar nicht und nur, wenns keine grossen Umstände mache, ein Schälchen Erdbeeren mit etwas Zucker und flüssigem Rahm. Die Enkelin und ihr Ehemann waren gerade auf dem Erdbeerfeld und bringen das Gewünschte gleich vorbei. Alle schauen zu, wie Vater, noch ein bisschen zittrig, mit grossem Genuss die Erdbeeren verspeist. Ist das ein gutes Zeichen? Wir erzählen, wie die Kartoffeln und Bohnen in seinem Garten wachsen und wie leer das Haus ohne ihn sei.
„Es kann sich jetzt ein bisschen von mir erholen“, meint er, so, als ob das Haus durch seinen Schmerz auch gelitten hätte.