Sie vertrauen Dr. Blumenthal voll und ganz, obwohl er alt und ein Jude ist und an einem Stock durch seine Praxis tappt. In den vergangenen zwanzig Jahren hat der Arzt die zahlreichen Mitglieder der kurdischen Sippe durch Kinderkrankheiten, Geburten, Arbeitsunfälle, Magengeschwüre, Tumore und Depressionen begleitet, ohne je einmal die Geduld oder den Humor zu verlieren. Sein junger türkischer Kollege aus der Praxisgemeinschaft ist da ganz anders, fertigt er doch in der gleichen Zeit das Mehrfache an Patienten ab. „Haide, haide – los, auf gehts“ treibt er die Leute an. Er kann sich verständlicherweise einen Offroader leisten, dieser „Dr. Haide“, während Dr. Blumenthal eine alte Karre fährt. Grossmutter, die sich vor einem Besuch bei ihrem Arzt immer sorgfältig einkremt und frisiert, hat ihm letzthin ein Hemd geschenkt. Der Doktor wollte es zuerst nicht annehmen. Erst, als die alte Frau drohte, dann werde sie halt wieder depressiv und sei dazu erst noch beleidigt, liess er sich erweichen.
Nächste Woche bekommt Grossvater Hasan eine neue Herzklappe. Dr. Blumenthal hat zu einer biologischen geraten, vom Schwein oder vom Rind. In diesem Falle aus religiösen Gründen wohl besser vom Rind?
„Egal, ob Schwein oder Rind, wenns um die Gesundheit geht,“ meint Tochter Aliva resolut,“wer heimlich Schinkenbrote verputzt, kanns auch mit einer Herzklappe vom Schwein!“