Nein, mit dem Bus fahre sie nicht mehr in die Stadt, erkärte mir eine gute Bekannte, seit über zwanzig Jahren mit einem Nordafrikaner verheiratet. Dieser Lärm, der Schmutz, die vielen Ausländer seien ihr einfach zuwider, und sie nehme lieber das Auto. Mir sind diese täglichen Fahrten in den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht immer ein Vergnügen. Trotzdem möchte ich sie nicht missen, denn ich treffe die unterschiedlichsten Menschen, gehöre dazu auf dieser West-Strecke der Stadt.
M., eine junge Frau aus dem Quartier erzählt mir, sie sei immer noch auf Lehrstellensuche. Vor einigen Tagen durfte sie bei der Post schnuppern und einen Briefträger auf seiner Tour begleiten. Das gefiel ihr sehr und auch der Briefträger war äusserst zufrieden, konnte M. doch immer mit ihm Schritt halten. Auch den schweren Postwagen schob sie ohne zu murren den Berg hinan, was bis jetzt noch keiner Frau gelungen war. Nun darf M. in einigen Tagen zum Multicheck antreten. Den kennt sie schon von anderen Betrieben. Die junge Frau hat keine Hoffnung, diesen bei der Post zu bestehen. Jeden Tag bekommt sie von den Eltern 10 Franken. Wenns wieder nicht klappt mit der Stelle, muss sie „zur Soziau“.
Auch N. möchte endlich eine Lehrstelle finden. Seit zwei Jahren arbeitet sie in einer Kinderkrippe und möchte Kleinkindererzieherin werden. Sie hat schon unzählige Bewerbungen geschrieben, aber auf eine Lehrstelle melden sich bis zu 60 Leute. N. träumt davon, ins Militär zu gehen und Hundeführerin zu werden. Sie könnte ihren eigenen Hund mitnehmen.
S. kommt zusammen mit seiner Mutter von einem „Tag der offenen Tür“ in einem Gymnasium zurück. Der Campus gefällt dem Knaben. Die Mutter findet die Architektur der Anlage aber ziemlich spiessig und sähe es gerne, wenn der Sohn für sein Studium eine baulich klarere und geschmackvollere Institution wählen würde. Sie will aber nicht beeinflussen. Da S. in allen Fächern talentiert ist, bis in einigen Tagen aber ein Schwerpunktfach angemeldet werden muss, rückt die Frage der Architektur auf den zweiten Platz.
Ich sitze neben einer ehemaligen ABM-Verkäuferin. Sie erzählt mir von der neuen Stelle bei Migros. Nein, die Arbeit im Untergeschoss des Glasgebäudes macht ihr nichts aus. Die teuren oberen Etagen mit Tageslicht hat Migros an andere Geschäfte vermietet. Bei ABM gabs für die Mitarbeitenden nie etwas zum Geburtstag. Bei Migros ist das anders. Die Frau hat zum ersten Mal in ihrem Verkäuferinnen-Leben einen Blumenstrauss und einen 20 Franken-Einkaufsgutschein erhalten!