Mascha Kaléko: Emigranten-Monolog
(1945)

MK 1

Ich hatte einst ein schönes Vaterland –
so sang schon der Flüchtling Heine.
Das seine stand am Rheine,
das meine auf märkischem Sand.

MK 2

Wir alle hatten einst ein (siehe oben!).
Das frass die Pest, das ist im Sturm zerstoben.
O Röslein auf der Heide,
dich brach die Kraftdurchfreude.

MK 3

Die Nachtigallen wurden stumm,
sahn sich nach sicherm Wohnsitz um,
und nur die Geier schreien
hoch über Gräberreihen.

MK 4

Das wird nie wieder, wie es war,
wenn es auch anders wird.
Auch wenn das liebe Glöcklein tönt,
auch wenn kein Schwert mehr klirrt.

MK 5

Mir ist zuweilen so, als ob
das Herz in mir zerbrach.
Ich habe manchmal Heimweh.
Ich weiß nur nicht, wonach.

Aus: Kaléko, Mascha: Werke, München : dtv, 2012, S. 186
Bilder: Sämtliche Werke, dtv 2012