Fr 9 Nov 2018
Mascha Kaléko: Emigranten-Monolog
(1945)
Ich hatte einst ein schönes Vaterland –
so sang schon der Flüchtling Heine.
Das seine stand am Rheine,
das meine auf märkischem Sand.
Wir alle hatten einst ein (siehe oben!).
Das frass die Pest, das ist im Sturm zerstoben.
O Röslein auf der Heide,
dich brach die Kraftdurchfreude.
Die Nachtigallen wurden stumm,
sahn sich nach sicherm Wohnsitz um,
und nur die Geier schreien
hoch über Gräberreihen.
Das wird nie wieder, wie es war,
wenn es auch anders wird.
Auch wenn das liebe Glöcklein tönt,
auch wenn kein Schwert mehr klirrt.
Mir ist zuweilen so, als ob
das Herz in mir zerbrach.
Ich habe manchmal Heimweh.
Ich weiß nur nicht, wonach.
Aus: Kaléko, Mascha: Werke, München : dtv, 2012, S. 186
Bilder: Sämtliche Werke, dtv 2012
November 11th, 2018 at 17:31
Genauso klangvoll wie traurig. Wie viele H*grüsse und Vernichtungsrufe sich seit diesem Beitrag Bahn gebrochen haben, ich mag es gar nicht glauben.
November 21st, 2018 at 23:38
Man mag’s und mag’s nicht glauben, aber leider muss man.
Nachtrag: Wer weiss, vielleicht gelingt es Motti Wolkenbruch, wenigstens in unserem kleinen Land ein paar Debatten zu gegenseitigem Respekt anzustossen