Di 29 Aug 2006
Es sind schon einige Jahre her, als ich nach einem langen Arbeitstag den Briefkasten öffnete und eine an mich adressierte „Senioren Zeitung“ vorfand. Ich überflog die erste Seite zum Thema „Finanzielle Absicherung im Alter“ gedruckt in einer grossen verlaufenen schwarzen Schrift. Im 12. Stock angekommen, schleppte ich mich müde in den 13. und war überzeugt, dass ich, läse ich weitere Nummern dieses tristen Blattes, mich um eine Vorsorge nicht zu kümmern brauchte.
Ich refüsierte die Gratiszeitung und erhielt dann noch ab und zu eine Anfrage der Redaktion, ob ich jetzt nicht doch … ?
Inzwischen ist das Angebot an 50plus-Produkten bald so gross wie dasjenige von Migros Budget.
Eine schöne Sache hat sich der Kaufmann Verlag in Lahr einfallen lassen: die Programmlinie 50plus. Die Verantwortlichen, welche „wissen, dass ihre Kunden schon viele Bücher konsumiert haben“, machen sich eifrig daran, diese Zielgruppe zu definieren. „Niemals darf das Kundensegment als Senioren überschrieben werden, keinesfalls dürfen nur Titel gewählt werden, die Probleme des Alters schildern“. In den 50plus-Regalen, zu welchen die BuchhändlerInnen erst noch überzeugt werden müssen, sollen Bücher mit „angenehm grosser Schrift“ in handlichem Format mit Lesebändchen stehen. Die 50plus-Generationen werden über „so genannte Kohorteneffekte“ angesprochen. Ganz klar besuchen die Pioniere dieses neuen Verlagprogramms Spezialmessen wie „66er“ (?) und „Seniorentage“, damit sie die Bedürfnisse ihrer neuen ZG besser kennen lernen und immer am Puls (hi,hi) der Zeit sind. Bei der in Zürich durchgeführten Umfrage meinte „weiblich, 60“: „Wichtiger als fachliche Kompetenz ist mir, dass das Personal liebenswürdig und nett ist.“
Ich persönlich habe gerne beides: Fachkompetenz und nette Liebenswürdigkeit. Dazu meine ich, dass LeserInnen jeden Alters ein Recht auf ein schön gestaltetes Buch in handlicher Form mit gutem Papier, der richtigen Schrift + Lesebändchen haben!
Hier noch der aktuelle Bestseller aus dem Kaufmann Verlag: Kuhn, Johannes: Ich bin vernügt, erlöst, befreit – Von der Kunst, alt zu werden.
(Dieser Bericht basiert auf einem Artikel im Schweizer Buchhandel 8/06, den ich leider nicht verlinken kann, da es sich um die neueste Nummer handelt.)