So 4 Feb 2007
Die alten Angehörigen zu Hause zu betreuen, ist im Kanton Bern etwas vom finanziell Dümmsten, was man tun kann. Ihnen die vertraute Umgebung zu erhalten und hohe Eigenleistungen zu erbringen, geht ans Guttuch und an die Nerven. Fatal wird es, wenn die Pflegebedürftigen auf Fürsorgeleistungen in Form einer Hilflosenentschädigung angewiesen sind. Das ist u.a. der Fall, wenn die berufstätigen Kinder, meist die Töchter, nicht die gesamte Betreuung übernehmen können und Unterstützung durch Dritte brauchen. In der Abklärungszeit des Gesuchs, die oft mehr als ein Jahr dauert, schrumpft der letzte Rest des mühsam Ersparten hurtig dahin.
Vater befindet sich gerade in einer solchen „Testphase“, die nun schon den 13. Monat andauert. Um „Missbräuchen vorzubeugen“, wird also auch der 96jährige seh-, gehör- und gehbehinderte, Nieren und Herz insufiziente hochgradig blutarme Greis auf die Warteliste gesetzt. Könnten die Beeinträchtigungen in einem Jahr nicht wieder völlig verschwinden? Dann hätte man die Beiträge ja an einen Unwürdigen bezahlt. Werden diese dann einmal gesprochen, ist die Sorge nicht ausgestanden, denn es dauert wieder Monate, bis das Geld angewiesen wird.
Der alte Mann ist mit seinem guten Gedächtnis, der präzisen Ausdrucksweise, dem geraden Scheitel, den geschnittenen Nägeln und der sauberen Kleidung ohnehin ein unglaubwürdiger Aspirant auf diese Entschädigung, Arzt- und Spitalberichte hin oder her.
Vor einer Woche kam ein Beamter ins Haus, um den Fall vor Ort zu prüfen. Dass Vater nicht anwesend, weil im Spital war, tat der Kontolle keinen Abbruch. Er brauche dazu den Patienten nicht, meinte der kontrollierende Kantonsbeauftragte.
Auf der Gemeindeverwaltung, wo die ausgefüllten Gesuchsformulare, Berichte und Zeugnisse abgegeben werden müssen, rät die Beamtin, den Vater doch ins Heim zu geben, da dort die Beiträge zwar um vieles höher, aber ohne Verzögerung und problemlos fliessen würden!
Solches macht zornig und zeigt, dass Altern zu Hause immer mehr zum Luxus wird. Vater selber findet, es wäre jetzt besser, abzutreten, auch wenn er gerne noch ein bisschen die Urenkelkinder aufwachsen sähe.
Es ist bitter und unwürdig, dass sich alte Menschen und ihre betreuenden Angehörigen in der reichen Schweiz vorkommen müssen wie Bettler.
Februar 4th, 2007 at 16:38
Kaum zu glauben, dass der Staat lieber 500.- pro Tag bezahlen will. Soviel kostet der Heimaufenthalt nämlich schätzungsweise.
Februar 5th, 2007 at 15:50
ja es ist eine Schande! wobei ich den Tagesansatz im Heim noch grösser schätzen würde!
Februar 5th, 2007 at 22:24
Das ist ja unfasslich! Kann diese lange Wartefrist wirklich gesetzlich vorgeschrieben sein, oder ist das bürokratische Schlamperei?
Missbräuchen lässt sich doch auch auf eine humanere Weise vorbeugen. Zufällig ist mir heute ein Formular aus Deutschland in die Hand gekommen; dort heisst es: „Es ist mir bekannt, dass unrichtige oder irreführende Angaben zur Versagung der gesamten Entschädigung und Rückforderung bereits erbrachter Leistungen führen können.“ (Es handelt sich um Wiedergutmachungsrenten) Ich finde, eine ähnliche Klausel würde als Sicherung gegen missbräuchliche Forderungen genügen und eine speditive Behandlung vorliegender Gesuche ermöglichen.
Abgesehen davon: Wie viel kostet volle Pflege zu Hause? Ganz bestimmt nicht 550.-/Tag. Wie manchem alten Menschen kann man mit 16 500.- /Monat eine Hilfskraft bezahlen?
In jedem Büro, in dem Fürsorgebeamte sitzen, müsste ein ganz grosses Plakat hängen: AUCH DU WIRST EINMAL ALT.
Februar 6th, 2007 at 07:25
Gerade haben wir von einem ehemaligen Sachbearbeiter in der zuständigen Behörde vernommen, dass
es auf die Person ankomme, welche das Dossier bearbeite. Sie könne, falls sich niemand wehre, die Betroffenen endlos warten lassen und ihnen, was selten vorkomme, einen „Kontrolleur“ ins Haus schicken. Nun fragen sich meine Schwester und ich, wir betreuen nun das 10. Jahr, was wir als behördengeübte Frauen, falsch gemacht haben.
Vered, mich wundert es auch immer, wie wenig solche Leute an ihr eigenes Alter denken.
Februar 6th, 2007 at 10:22
Gibt es vielleicht so etwas wie einen Ombudsman, der schlampigen Sachbearbeitern Beine machen kann?