Eigentlich jage man bei einem solchen Regen keinen Hund aus dem Haus, meint eine Genossin, aber der Vortrag zu „Bewährungshilfe und alternativer Strafvollzug“ werde sicher interessant und ausserdem schwemme der Regen alles Zeugs weg, was auch nötig sei. Ich mag nicht fragen, welches Zeugs sie meint. Nach und nach tropfen noch weitere Genossinnen und Genossen ins Säli. Ich zähle 25, Durchnittsalter 60. Es dürfen drei neue Mitglieder, davon zwei anwesend, mit Kuss und rotem Schoggiherz begrüsst werden. Nach einer heftigen Diskussion um ein Bauvorhaben auf der grünen Wiese (Recycling und Sortierwerk von Bauschutt), gehts ziemlich verspätet zur Bewährungshilfe. Zuerst gibts ein paar Grafiken und Karten in Militärgrün und Blutrot und dann die Geschichte von einem Klienten, den die Referentin „Tim“ nennt. Sie hat ihn fünf Jahre durch den Strafvollzug begleitet und ihn so weit einsichtig gemacht, dass der Bursche ein „Gefühl für die Ängste seiner Opfer bekam“. Er hatte sie gefesselt und ihnen eine Pistole an die Schläfe gesetzt – natürlich ungeladen, wie Tim die ganzen Jahre stets beteuerte. Sogar eingezahlt für die „Opferhilfe“ habe er. Schritt für Schritt habe man ihn einem normalen Leben entgegen geführt, zwar mit elektronischen Fussfessel, aber in Wohnung mit Freundin und bald auch Kind.

Die Zuhörerinnen und Zuhörer lauschen gebannt. Jetzt wäre ein guter Moment, für die junge Familie zu sammeln, denke ich zynisch. Mir fallen die Augen zu. (Das „Kafi fertig“ nach der Arbeit im Mappamondo mit meinen Freunden beginnt zu wirken.)
Leider hat die Tim-Geschichte kein Happyend. Die neue Genossin neben mir schaut traurig auf ihr Schoggiherz. Wie kann es sein, dass der dann doch, nachdem er Frau und Kind verlassen hatte, abgeschoben wurde von einer ungnädigen Behörde. Hätte man seine Chance nicht auf sechs Jahre verlängern können?
(Mol, mol, das neue Mitglied passt prima in meine Partei.)
Nach diesem berührenden Vortrag und der geschlossenen Wiederwahl der vier Schulkommissionsmitglieder versuchte die Präsidentin die Sitzung zu schliessen. Ein Genosse wollte aber unbedingt noch wissen, was man zu tun gedenke, wenn neu zuziehende Eltern ihre Kinder nicht in unsere Schule schicken wollen. Im Moment seien erst fünf solche Fälle bekannt und das Thema „Schule“ werde in einer spätern Versammlung diskutiert.
Man solle doch noch ein 1.-Mai-Bändeli kaufen und 2 Franken hinlegen, bitte.