Wort

Vorsorglich hatten wir Wasser, Schokolade, Wäsche zum Wechseln und genug Lesestoff eingepackt, aber der ICE brachte uns wohlbehalten und pünktlich nach Frankfurt;-)

Um das Podiumsgespräch „Katalnische Frauen (be)schreiben die Welt“ nicht zu verpassen, begab ich mich früh ins Lesezelt. Ich bekam also noch die letzte Viertelstunde der Diskussion „Lust statt Frust – Meine Wohlfühlformel“ mit. Auf dem Podium sass Erika Berger zusammen mit ihrem Verleger oder wars doch Oswald Kolle? Obwohl die abgeschabten Klappstühle nur spärlich von älteren MesseläuferInnen in sportlichem Schuhwerk besetzt waren, gab die Sexberaterin und Autorin von Lebenshilfe-Büchern jedem ein bisschen von ihrem Strahlen ab. Hier war ein Vollweibprofi am Werk. Das fand ich cool. Es ging um die Wechseljahre. Darüber erzählte Frau Berger nichts Neues, aber sie tat dies frisch, temperamentvoll, schlagfertig und mit Humor – eine Traumautorin für den Verlag . Ein weisshaariger Herr fotografiert begeistert. Erika Berger macht ihm ein Kompliment für seien kanariengelben Pulli, welcher ihm sehr gut stehe und ihn von den Heerscharen der grauen Mäuseriche abhebe. Sie selber pflege Kleider- wie Hautfalten liebevoll und halte sich von Schönheitschirurgen fern. Überhaupt sei Schönheit, entgegen anderer Behauptungen, keine Frage des Geldes, denn eine Gurke und ein Ei wirkten Wunder. Ihre 68 Jahre verschweigt sie keineswegs, auch nicht das Enkelkind, was leider viele Frauen täten. Natürlich kann die Fachfrau aus einem reichen persönlichen Fundus schöpfen und zögert auch bei der kecken Frage des Moderators, ob sie schon einmal eine Beziehung zu einer Frau … , keine Sekunde, was diesen dann schon ein bisschen verunsichert und ihn zu dem Witzchen verleitet: „Ich gestehe, dass auch ich schon mal eine sehr schöne Beziehung zu einer Frau hatte.“

Die katalanisch schreibenden Autorinnen Carmé Riera und Teresa Solana kommen in Begleitung von Verlegerin und Übersetzer. Die Verlegerin liest die Werklisten der Schriftstellerinnen in Katalanisch herunter, welche anschliessend vom Übersetzer in ziemlich stockendes Deutsch übersetzt werden. So spricht er von einem „Polizeiroman“ oder einer „Schwarzen Geschichte“, bis einer aus dem Publikum mit „Kriminalroman“ aushilft. Für mich tönt das Katalanische rätoromanisch und das Deutsche wie die übersetzte Gebrauchsanweisung zu einer Mikrowelle. Links und rechts sitzen abgehalftert und stumm die Frauen Riera und Solana und trinken Kaffee aus Plastikbechern. Plötzlich räumen alle das Podium und ein junger Mann in weissen Hosen und Schlabbershirt betritt die Bühne. Aha, die angekündigte Performance. Der Schauspieler spielt eine Frau aus der Ebene, die einen Hirten heiratet und diesem in die Einsamkeit der Berge folgt. Mit englischen und deutschen Textfetzen versucht der Künstler uns alpine Solitude zu vermitteln. Er bläst ins Mikrofon, blökt, meckert, hebt dann seine geballten Fäuste verzweifelt gegen imaginäre Felswände.
Ein bisschen verdattert verlasse ich das Lesezelt, obwohl ich gerade kleine, weniger beachtete Veranstaltungen ausserhalb der betriebsamen riesigen Messehallen schätze.

Jedes Jahr besuchen immer mehr Kinder und Jugendliche die Buchmesse. Ein bekannter Literaturkritiker bewog dies zu der etwas ärgerlichen Frage, was die Kleinen an den fürs Fachpublikum reservierten Tagen in den heiligen Hallen eigentlich verloren hätten? Niemand hörte auf ihn, und so fläzen sich die Jungen weiterhin auf Kissen, verputzen Gratis-Popcorn, gamen endlos im „Forum“, stecken ihre Nasen in die neuesten Comics, stehen an für ein Autogramm von Wolfgang Hohlbein & Co., lassen sich mit Bestsellern fotografieren, geben Interviews zu ihren Lieblingsbüchern, beteiligen sich an Lesewettbewerben, schnappen sich die Give Aways von den Ständen und ziehen, behängt mit den buntesten Werbetaschen, übers Gelände.