… findet der Gebläseträger den Dreck. Es ist noch dunkel. Sechs Strassenwischer in orangen Overalls und warmen Kappen machen sich daran, die Bushaltestelle und den Fussweg zum Quartier zu kehren. Seit mehr als einer Woche liegen Laub, Papier, Plastiksäcke und Flaschen umher, kleben feuchte Zeitungen auf den schleimigen Spuckehäufchen und in der Urinecke der abgefackten Bushaltestelle. Neben dicken Saugrohren hantieren die Männer auch mit Handsägen, Bürsten, Rechen, Greifzangen und Reisigbesen.
„Ich danke Ihnen, dass Sie hier putzen. Es ist dringend nötig. Ich wurde schon ganz schwermütig ob all dem Müll.“
„Wir wissen nicht, wo wehren, haben immer alle Hände voll zu tun. Ständig wird gespart und werden Stellen gestrichen, müssen Sie wissen.“
Im Bus lese ich, die grösste gegenwärtige Sorge der Schweizerinnen und Schweizer sei die Arbeitslosigkeit, genauer gesagt, die Erwerbslosigkeit. Arbeit gäbe es eigentlich in Hülle und Fülle, seis in den Schulen, den Heimen, beim Abfall, in den Bibliotheken, aber heute ist kein Geld da, auch nicht 2005. Es soll ein richtiges Sparjahr werden. Das sind schlechte Nachrichten. Wahrscheinlich muss dann der kurdische Wirt noch einen Tisch mehr vor seine Beitz stellen, damit die Erwerbslosen, die Invaliden, die Frühpensionierten, die Ausgesteuerten, die AlkoholikerInnen einen warmen Platz haben in unserer Ladenstrasse. In der Welt vor Bern-West sieht es nicht besser aus. 26 Mio. Euro im Jackpot verursachen ganze Völkerwanderungen und bringen die Menschen ein bisschen zum Träumen: ein Häuschen auf Kreta, eine Reise, ein junger Mann möchte sich endgültig zur Ruhe setzen. Die Wünsche der Befragten an den Verkaufsstellen sind bescheiden. Mit einigen 1000 Euro wäre man zufrieden und viele Geldsorgen los.
Ich habe keinen Lottoschein ausgefüllt, obwohl mich eine nette Dame aus FFM angerufen hat und mir einen verkaufen wollte. Auch das samstägliche Los von der Post im Dorf brachte wie immer nichts. Die Posthalterin erinnert sich, dass vor Jahren einmal einer 250 Franken gewonnen hat.
Ich will nicht klagen, denn heute und morgen habe ich noch eine Erwerbsarbeit, und weiter schaue ich die Vögel unter dem Himmel und die Lilien auf dem Felde an, denn wozu sonst habe ich schon als kleines Mädchen ein Fläschchen schwarzer Tusche beim Bibelquiz in der Sonntagsschule gewonnen?