Schnell haben die Bäcker von Marktl reagiert und neben der „Papstmütze“, dem „Vatikanbrot“, der „Benedikt-Torte“ die „Ratzinger-Schnitte“ mit Mazipan und brauner Schoggi-Glasur aus dem Ofen gezogen.
Die Geschäfte laufen bestens.
Das finde ich gut, denn Marktl ist finanziell nicht auf Rosen gebettet. Obwohl ich, unter uns gesagt, bei der „Ratzinger-Schnitte“ eine Himbeerglasur oder eine mit weisser Schokolade gewählt hätte.
Ganz anders ist da der einzige Bäcker in meiner Heimatgemeinde. Obwohl sein Laden direkt an einem Pilgerweg nach Santiago de Compostela liegt, nicht weit entfernt von der Ruine eines Kluniazenserklosters aus dem 9. Jahrhundert verkauft er seit Jahr und Tag die gleichen trockenen Brote, Butterzöpfe und Stückli (Kleingebäck). Keine Martins-, Marien-, Dinkel-, Kloster-, Kluniazenser-, Pilgerbrote, keine Fronleichnam-, Pfingst-, Aschermittwoch-, Passions-, Allerseelen-Wecken, -gipfel oder -taschen, keine Jakobsmuscheln aus brauner oder weisser Schokolde – nichts dergleichen.
Ganz hinten im Laden, den Haarspangen gegenüber, hängt die „Schwander-Wurst“, geräuchert zum Kaltessen, genannt nach einem über die Region hinaus bekannten Schwinger und Metzger des Dorfes. Das Preisschild trägt seit 50 Jahren das Bild des blonden kraftstrotzenden und oft siegreichen Sportlers. Wenn die Betagten im Dorf vergesslich geworden sind und nicht mehr wissen was vor einer Vieltelstunde war, das Spottgedicht auf die beliebte Wurst ist ihnen gebleiben:
Hast du Hunger,
hast du Durst,
friss von Schwanders Wasserwurst.