Seit drei Tagen liegt bei mir eine Packung Kaliumiodid, 2×6 Tabletten, von den verantwortlichen Behörden vorsorglich und gratis nach Hause geliefert. Auf dem Informationsblatt, verfasst in acht Sprachen und in winzigst kleiner Schrift, werde ich angewiesen, wie ich mich bei einem schweren Kernkraftwerkunfall zu verhalten habe. Alle, die im Umkreis von 20 km eines Kernkraftwerkes wohnen, sollten diese Jodtabletten griffbereit haben: Bitte, lagern Sie die Tabletten an einem Ort, wo Sie diese sicher wiederfinden.
Da ich in Zone 1, nur 10 km vom Kernkraftwerk Mühleberg entfernt wohne, nehme ich die Lupe zur Hand um nichts zu übersehen. Bei Gefahr, dass radioaktive Stoffe freigesetzt werden könnten, alarmieren die Behörden die Bevölkerung. Informationen dazu finde ich im Telefonbuch auf den hintersten Seiten: (ein regelmässig auf- und absteigender Ton der Sirenen, dauert 1 Min. mit 2 Min. Unterbruch). Die Behörden ordnen an, wann die Tabletten, mit viel Flüssigkeit, ein erstes Mal eingenommen werden sollen und wie lange. Die Informationsschrift: „Chemie und Radioaktivität im Alltag“ erhalte ich gratis beim Bundesamt für Gesundheit.
Zu Weihnachten wünsche ich mir, dass es nie zu einer Alarmierung der Bevölkerung kommt. Das Merkblatt kann längst nicht von allen gelesen werden und kein Mensch weiss, was inzwischen mit all den Tabletten aus der Armeeapotheke geworden ist. Obwohl die Führungen durchs Kraftwerk bei den Schulklassen nicht unbeliebt sind, scheint es ein ungeahntes Problem zu geben, das von den Befürwortern der Kernenergie hier in der Schweiz (noch) nicht thematisiert wird.
Ich weiss, dies ist ein un-heiterer Beitrag für einen 2. Advent, aber Kleingedrucktes verschiebe ich immer auf den Sonntag.