Di 29 Sep 2009
95% seien begeistert von der Oper im Quartier. Der Rest fühle sich besonders von der Spider-Kamera in der Privatsphäre gestört. Die glänzende Spinne hängt an zwischen den Blöcken verankerten Tauen und blinzelt rot, wenn sie daran auf und ab kraxelt und filmt. Seit Juni wird mit den einheimischen Statisten gearbeitet. Frau Schneider und Frau Burger wurden aus einem grossen Angebot als Waschfrauen ausgewählt. In der Waschküche waschen sie ihre echte Schmutzwäsche, während daneben in den höchsten Tönen gesungen wird. Frau Schneider hat noch einen weiteren Auftritt in einer Szene vor der Pizzeria. Dazu musste sie sich einen Partner suchen, um mit ihm untergehakt über den Platz zu gehen. (Die Suche erwies sich als schwierig, da einige der angefragten Männer das Gerede fürchteten). Nun träppelet der Mann einer Nachbarin mit der „Waschfrau“ Arm in Arm durchs Bild – kein Problem. Unter der bunt beleuchteten Brücke singt die schwindsüchtige Mimi herzzerreissend. „Sicher stirbt sie bald.“ „Nein, nein, nicht hier in der Öffentlichkeit“, meint eine Frau mit Rucksack. „Sie stirbt zu Hause in der WG.“
Die Hobbyfotografen und -filmer sind begeistert, so nah an den Stars – Cannes ist ein Dreck dagegen. Superbilder gebe das und auch einen Superton, schwärmt Herr Kern, der in seiner Freizeit Blumen in Öl malt. Auch Kleines Mädchen ist begeistert, wird fotografiert. Herzig, wie kleine Kinder sich in so etwas vertiefen können. Kleines Bübchen schläft im Kinderwagen, Äuglein mit einem Küchentuch vor grellem Scheinwerferlicht geschützt, lässt sich von Rodolfos verzweifeltem Gesang nicht stören. Die unzähligen Subdirigenten, Co-Assistenten, Tontechniker und Scriptfrauen drängen sich ein bisschen genervt durch die Menge, aber diese wird ja leider gebraucht, denn Realität ist gross angesagt. Auch die Radio-Leute versuchen, einen Schnifel des Kuchens zu ergattern, möchten etwas zeigen, was bei einer „solchen Grossproduktion nicht hervor kommt, aber auch wichtig ist“, machen Interviews mit Bewohnerinnen und Bewohnern, auch mit Frau Schneider. Meine Frage, ob der Sendetermin championsleaguemässig nicht ungeschickt gewählt wurde, tut man ab, denn wer mag schon Schutte luege, wenn er im Fernsehen kommt?
Und sollte jemand die Oper verpassen: Frau Schneider hat die DVD und für weniger Moderne auch ein Viedeo.
Es gibt ein Leben nach der Oper, aber es wird schon wieder etwas kommen, schliesslich bleibt man ja nicht müssig.
Nur geschüttelt, weil man ein bisschen zuviel trinkt, wird mann wohl nie mehr so temperamentvoll wie von Musetta.
Nach Regen, wie sichs die Regisseurin der tristeren Tristesse wegen wünscht, siehts auch nicht aus. Mimi stirbt trockenen Fusses und in aller Öffentlichkeit.
September 29th, 2009 at 17:02
Ein bisschen neidisch bin ich trotzdem und würde mich gern auf einen eurer Balkone setzen und das Spektakel vor Ort verfolgen. Nun werde ich halt fernsehen und gespannt nach bekannten Gesichtern Ausschau halten! So lange mich mein kleines Bübchen nicht vom TV weg holt, weil er sich im Halbschlaf mal wieder nicht selber umdrehen mag 🙂 Geniesst die Show!
September 29th, 2009 at 20:27
Am meisten stören all die Scheinwerfer, die sind sehr unangenehm.
September 30th, 2009 at 09:40
Liebes Granium, wir waren natürlich auch vor dem TV – mit Unterbrüchen, da die Kinder sehr müde waren, aber nicht schlafen wollten.
Liebe Nicole,
ja, das Licht bis spät in die Nacht hat auch im Nachbarquartier gestört. Abern nun wirds wieder besser;-) Ich freue mich, dass das Quartier endlich auch positive Schlagzeilen hat. Das finde ich super. (Seit Werner Vetterli in den 70ger Jahren diese sehr negative TV-Sendung über Berns Westen machte, ist kaum mehr etwas Gutes über das Quartier geschrieben oder gesendet worden.)
September 30th, 2009 at 12:56
Hallo 1st, leider hat das ganze heute einen faden beigeschmack bekommen. Keiner möchte sich gerne Nachsagen lassen, das er einer Bildungfernen Schicht angehört. Es zeigt aber mal wieder, das die wenigsten wissen, welch kluge Köpfe in unsrem schönen ( Ghetto ) Dorf Wohnen.
Was aber ganz toll war, das waren die vielen Fleissigen Bienchen die, die eigentlich Arbeit genmacht haben. Denn ohne sie wäre das alles nie möglich gewesen.
Oktober 1st, 2009 at 11:50
Liebe Nicole, dank dem Präsidenten des Quartiervereins, Thomas Gerber, hielten sich die Berichterstattenden an TV und Radio ein bisschen zurück. Sie betonten das Ghetto, die Bildungsfernen, die Nichtopernkenner und Nichtmusiksachverständigen, die Tristesse der Betonbauten immerhin nicht gerade in jedem Satz.