Roggenbrot

Pane ossolane (Roggenbrot aus der Region Domodossola, zerklüftet wie das Bachbett am Oberlauf des Toce)

Statt nur ein paar Haltestellen mit dem Tram in die Stadt zu fahren und dort einen Märitkaffee zu trinken, schaukle ich im 07:31ger InterRegio durchs grüne Aaretal. Noch erheben sich die Alpen wie ein schwarzer Scherenschnitt vor dem morgenroten Himmel. Es wird ein sonniger Wintertag. Alpen und Voralpen sind mit Neuschnee bedeckt, in den Schattentälern liegt Rauhreif auf Äckern und Weiden. Durch Tunnel, über Viadukte und Rampen, wilden Bächen entlang gehts vom Wallis hinunter – immer wieder mit Blick auf die weissen Bergspitzen – nach Italien. Ein bisschen geschüttelt und gerührt erreicht man bereits nach 96 Minuten das Städtchen Domodossola. An der Piazza del Mercato finden meine Freundinnen und ich gleich ein taschentuchgrosses Tischchen in einer vier Taschentücher grossen Bar. Es scheint ein Treffpunkt der älteren einheimischen Frauen zu sein. Man kennt sich und wartet schwatzend und lachend vor der WC-Tür.


Wunderbar, der Cappuccino in der dicken Tasse und das luftige Cornetto! Beim Gang über den mit Weihnachtsständen erweiterten Markt suche ich vergebens nach einer dritten Hand und trage neben Mandarinen, Fenchelsalami, Alpenrosen- und Lindenhonig, einem Dutzend feiner Baumwolltaschentücher nur noch ein grosses Roggenbrot nach Hause. (Beim steilen Einstieg über einige enge Stufen in den Zug ist man froh, auf den Grappa, den Parmesan, *die Baumnüsse, Wanderschuhe, den Bund Stechpalmenäste und die Granatäpfel verzichtet zu haben.)

Das oder ähnliches hätte ich in Bern auch einkaufen können, aber dann hätte ich die zahlreichen Handarbeitsstände nicht gesehen mit den gestrickten Jacken, Handschuhen, Socken, gewebten Tüchern, gefilzten Hexenhüten und Kappen mit Ohrenklappen, Tischtüchern mit Hohlsaum und Kreuzstichen, geschnitzten Wanderstöcken, gehäkelten Finken,Topflappen und Decken, Stein-, Spreuer- Lavendel, Federkissen – einfach mit allem, was man den Winter über in den Tälern so braucht, wenn die Sonne sie wochenlang nicht erreicht. In Erinnerung an meine Kindheit blieb ich ein bisschen gerührt.

*Die Baumnüsse habe ich in Bern doch noch bekommen. Meine Freundin Marwa hat sie für mich nach Hause getragen.

Mandarinen