Fr 10 Nov 2017
Jedes zweite Jahr im Oktober werden in der Stadt Bern die schönsten Grabmäler prämiert.
Die Gräber meiner Eltern im Dorf würden nie einen Preis bekommen. Dafür sind sie zu un-ordentlich. Auf ihnen wuchern Minze, Thymian, Bohnenkraut, Rosmarin und Lavendel. Kaum hat man die Büschel etwas in Form gebracht, schiessen sie wieder respektlos ins Kraut. Ein Gutes hat dieser Wildwuchs auf kleinstem Raum: Er wird von unzähligen Bienen besucht.
Nun ist es wieder höchste Zeit für die Winterabdeckung, denn zu den Allerletzten, die abräumen, sollte man nicht gehören. In der nahen Baumschule kaufe ich frische Weisstannäste – Chrisescht.
Es ist sehr kalt und nass. Der Nebel hängt tief über den Bergen. Ich schneide die Kräuter ab und packe sie in Taschen. Zuhause werde ich sie in einem Kissenbezug unter mein Bett legen und mich bis in den Frühling an dem Duft erfreuen.
Ich werde auch einen Korb voll wohlriechender Sträusschen zurecht machen für die Heilpädagogin in unserer Familie.
Sie wird damit die muffige Luft aus ihrer alten Schulstube etwas vertreiben.
Die grossen Äste teile ich in viele kleine und lege sie abwechselnd mit der oberen grünen und unteren weissen Seite auf die Gräber. Das sieht schön aus, und es braucht keinen weiteren Schmuck.
Die Kleinkrähen und ihre Mutter begleiten mich und helfen mir mit den Kräutertaschen. Für einen Moment ist es nicht mehr so still auf dem Friedhof.
Später setzt sich grosses Mädchen (3rd, female) in der Kirche ans Klavier und spielt ihr neues Stück.
Dieses Foto von einem Friedhof hat K. (2nd, male) letzte Woche in Katowice gemacht. Der üppige Blumenschmuck im November hat mich erstaunt und ich habe nach einer Erklärung gesucht und sie gefunden.
In Polen wird an Allerheiligen (1. November) der Toten gedacht. Tage vorher machen die Angehörigen die Gräber für den Winter zurecht. Ferien werden so gebucht, dass dieser Pflicht von Alt und Jung pünktlich nachgegangen werden kann. Wohnt man weit weg von den Gräbern, nimmt man Urlaub, um eine Kerze abzustellen. Oft kommt es zu Staus auf den Strassen und zu Lieferengpässen u.a. für Kerzen in den Supermärkten.
Der Toten zu gedenken wird nicht selten zu einem richtigen Stress.
November 15th, 2017 at 10:29
Liebe 1st, interessant, dass die Leute ermuntert werden sollen, „originelle“ Grabsteine hinzustellen. Der Bildhauer, der den Stein fürs Grab meiner Mutter gemacht hat, hat uns erzählt, wie streng die Regeln sind bei der Gestaltung der Grabmäler. Ich finde das Grabmal aus Metall ? sehr schön, so leicht und freundlich. Du hast mich daran erinnert, dass ich auch noch mit Tannechries abdecken sollte. Die Kinder wollen mitkommen und kleine Engel auf das Grab der Grossmutter legen, die sie kaum gekannt haben.
November 15th, 2017 at 12:57
Sicher ist es schön, wenn Angehörige sich mit einer Bildhauerin oder einem Bildhauer beraten, um einen möglichst passenden Stein für die verstorbene Person zu schaffen. So ein Kunstwerk hat dann aber auch einen Preis, den nicht alle bezahlen könnten.
Meine Eltern wünschten sich „keine Steine aufs Grab“, denn sie hätten in ihrem Leben genug Steine gehabt.
Obwohl es nicht nur in der Stadt, sondern auch im Dorf Regeln gibt, hat noch niemand reklamiert, dass wir nur einen Rosenstab gesetzt haben.
Engel auf die Gräber zu bringen, gefällt den Kindern!