Es wäre an der Zeit, endlich die Fenster eins nach dem anderen zu öffnen. Finde ich doch noch den „Rank“, einen Adventskalender 23 zusammen zu stellen? Ich erinnere mich nicht, in meinem langen Leben einmal so kraft- und hoffnungslos gewesen zu sein.

In einem berührenden Blogbeitrag berichtet eine Israelin über ihr Leben, das sich von einem beschwingten Vorher in ein erdrückendes, schwarzes Nachher aufgeteilt hat. Nach ihrem Familienbesuch in der Schweiz schreibt sie:

Es gibt tatsächlich noch ein Leben dort, in diesem Vorher. Die Menschen führen ihren Alltag einfach weiter, wie gewohnt.

Für meine Familie und mich gibt es nur ein Weitermachen, sei’s im Block, mit Kindern und Jugendlichen in Schule und Freizeit, als Vorgesetzte am Arbeitsplatz, an der Uni, mit Freunden, die uns zum Glück im Nachher erhalten geblieben sind oder beim Einkaufen im Orangen Riesen.

Sarah, 2nd2nd, female, ist kürzlich mit der Königin-Bertha-Medaille geehrt worden. Diese Auszeichnung vom Verein westkreis6 geht an Menschen, welche im Stadtteil 6 durch eine besondere Leistung herausragen.

Ihre Motivation sind universelle Werte, ihre Werkzeuge sind Begegnung, Hinwendung und positive Formulierung. Sarah sagt: In dieser Klasse sprechen die Kinder 12 verschiedene Sprachen zu Hause, zwei sprechen Berndeutsch. Nie würde sie sagen, 90% der Kinder haben nicht Deutsch als Muttersprache oder «nur» 10% sprechen Deutsch. Gleichzeitig würde sie alles dafür geben, dass alle in dieser Klasse die Sprache lernen, die sie brauchen, um hier einen Beruf zu ergreifen, ein Auskommen zu haben, ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen. Sarah beherrscht die verbale und die nonverbale Kommunikation und viele Techniken, um sprachunabhängig in gemischten Gruppen Ziele zu erreichen.

Wer in Sarahs Leben dabei ist – und das bin ich – beobachtet und erlebt allerlei. Wahrscheinlich hatten auch einige im Publikum hierzu Gelegenheit: Menschen, die mit Sarah im Quartier aktiv sind, Leute aus der Verwaltung, den Behörden, der Kirche, dem Verein Kinder Bern West, den Arbeitsgruppen zum Grümpelturnier, dem QBA-Vorstand, Menschen aus dem Haus an der Melchiorstrasse, wo ihr Mann Hauswart ist. Und alle die, die Sarah einmal kurz oder lang beherbergt hat, all die, die sie aufgenommen, getröstet oder unterrichtet hat, all die, mit denen sie plant, Spenden sammelt, aufräumt und schon wieder das Nächste organisiert: All diese Menschen kennen ihre klare Linie.

Aus der Laudatio, gehalten von Tanja Messerli, 22.10.23

Dieses 1. Fenster schicke ich an Yael.

הרבה ברכות טובות