Do 1 Mai 2014
An die Abstimmungssonntage in meiner Kindheit erinnere ich mich noch. Vater ging dann „gsunntiget, geputzt und gestrählt“ der Kirche zu, um etwas Wichtiges zu erledigen, was wir Kinder, die mit der Mutter daheim bleiben mussten, nicht verstanden. In meiner Erinnerung scheint an diesen besonderen Sonntagen immer die Sonne.
Heute stehe ich früh mit dem ersten Vogelgezwitscher auf. In aller Ruhe will ich mich dem Ausfüllen des Stimmzettels widmen. Zuerst gilt es, den billigen Amtsumschlag richtig zu öffnen. Nämlich nicht oben im Falz (Bitte nicht hier öffnen!), sondern beim schlecht perforierten Streifen weiter unten. Denn den ausgefüllten Zettel muss ich in diesem Umschlag wieder zurück senden. Damit meine Stimme nicht etwa ungültig wird, halte ich mich strikt an die Anweisungen und fest an die bezeichnete Ecke:
Immer wieder gibt es Leute, die von mir wissen wollen, wie ich stimme oder wen ich wähle. Daraus mache ich kein Geheimnis, stosse manchmal auf Erstaunen, wenn ich z.B. einen Parteigenossen nicht wähle, gegen eine „Wohnzone für alternatives Wohnen“ oder gegen sonst etwas bin, das auf den ersten Blick sozial daher kommt.
Die Volksabstimmung vom 18. Mai 2014 ist ein richtiger Brocken, ist meine Meinung doch zu eidgenössischem, kantonalen und städtischen Belangen gefragt.
Eidgenössisch:
Neuer Verfassungsartikel zur medizinische Grundversorgung? Sollen Pädophile nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen? Sollen alle Erwerbstätigen mindestens Fr. 4000.- verdienen? Speisen wir einen Fond (läppische 3,126 Milliarden, ohne 3 mal mehr Nebenkosten) für ein neues Kampfflugzeug, welches erst noch entwickelt werden muss?
Kantonal:
AKW Mühleberg vom Netz? (Jetzt sofort, denn hier sind wir in der Zone 1!)
Soll das Gesetz betreffend Handänderungssteuer geändert werden (??? Muss mich noch genau informieren)? Nehmen wir betreffend kantonaler Pensionskassen die Hauptvorlage oder/und den Eventualantrag des Grossen Rates an? Für den Fall, dass beide angenommen würden, kreuzen wir noch die Stichfrage an (hier darf nur ein Feld angekreuzt werden, sonst …!).
Stadt Bern:
Reglement über den Tierpark Dählhölzli samt BärenPark? (In der Botschaft des Stadtrates wird mit einem Bildli geworben, auf welchem die Bärenmutter mit ihren Jungen vor zahlreichem Publikum spaziert – herzig. Nur wurden die Jungen mehr oder weniger auch vor Publikum vom Bärenvater tot gemacht.)
Will ich die Initiative „Für bezahlbare Wohnungen“ annehmen? Im Stadtrat sind 42 dafür und 23 dagegen bei 6 Enthaltungen.
Letzten Montag habe ich mit meinen ehemaligen Arbeitskolleginnen und Freundinnen Punkt für Punkt besprochen. Wir Frauen sind u.a. gegen den Gripen. Heidi versucht noch, mit guten Argumenten ihren Ehemann Hanspeter für ein Nein zu gewinnen. Aber Hanspeter will das Kampfflugzeug, fühlt sich damit sicherer, auch wenn SAAB noch nicht einmal am Entwickeln ist und man hier unbestritten für Unsummen einen Sack ohne Katze kauft. Hanspeter testet für sich gerade ein neues Fahrrad. Vorgestern ging er zum dritten Mal zum Velohändler, um noch dieses und jenes zu klären und doch noch eine Probefahrt in steilem Gelände bei Regen zu machen.
So, ich habe, wie vorgeschrieben, mit schwarzem Stift die Kreuze gesetzt, den Stimmausweis unterschrieben, bin mir bewusst, dass der Einwurf in den von der Gemeide bezeichneten Gemeindebriefkasten erfolgen und selbstverständlich das Antwortkuvert unbedingt rechtzeitig der Post übergeben werden muss: B-Post bis spätestens Dienstag vor dem Wahl-/Abstimmungstag.
Verspätet eingegangene Stimm- und Wahlzettel sind nämlich – wer hätte das gedacht – ungültig!
Es würde besser kleben, wenn mans ablecken würde, aber dabei würde mir schlecht.
Mai 3rd, 2014 at 20:16
Wieder einmal vortrefflich dokumentiert. Merci!