Fr 15 Sep 2006
Eingesperrt sein ist für mich eine Katastrophe. Mein Puls rast, ich bekomme Atemnot und schlottere am ganzen Körper. Als Kind habe ich in diesen unangenehmen Momenten zu schreien versucht, was aber wegen der Atemnot eher wie ein erbärmliches Krähen klang. Ich erinnere mich, wie ich röchelnd an Türe und Wände gehämmert habe um auf mich aufmerksam zu machen. Wir wohnten in einem Block im zweitobersten Stock mit einem altertümlichen Lift, der mitunter irgendwo stecken blieb. Und manchmal hat mich auch meine Neugier irgendwo reingeführt, wo ich dann nicht mehr rauskam. Tja.
Mit zunehmendem Alter haben sich die Angstsymptome in diesen Momenten nicht verändert. Aber ich habe mit mir zu quasseln gelernt um mich der Angst nicht völlig zu überlassen: „Ich bin eingesperrt. Das ist ja schon mal nichts Unbekanntes. Es ist überflüssig mich aufzuregen. Ich kenne mich ja damit aus. Also immer mit der Ruhe, dann bin ich schon halb draussen. Gut. Was sind die Fakten? Ist mein Leben hier drinnen bedroht? Nein – gut! Also nur ruhig. Komme ich allein wieder hier raus? Gibt es einen Fluchtweg? (Ich checke die Wege durch.) Nein, ohne Schlüssel oder Brecheisen ist nichts zu machen. Also weitere Fragen. Kann mich jemand hören? Vielleicht – aber meistens ist Schreien oder Hämmern zu energieraubend. Gibt es ein Telefon und funktioniert es? …..“
Es gibt Menschen, die über Jahre eingesperrt sind und dabei teilweise massiv bedroht werden. Wie halten die das durch?
Heute wurde von meiner Wirbelsäule ein MRI gemacht. In der Nacht davor hatte ich Alpträume. Als ich heute Morgen die Röhre sah, bekam ich Atemnot, auf der Liege Herzrasen. Die Praxisassistentin schob mich mit einem „Es ist halt sehr laut und Sie dürfen sich wirklich nicht bewegen!“ ab. Da drinnen das blanke Entsetzen! Nach Minuten machte sich allmählich mein Gequassel wieder laut: „Ist mein Leben hier drinnen bedroht? Nein – gut! Also nur ruhig. Was sind die Fakten?….“
Was nach dem Tod mit uns passiert, konnte bis heute noch nicht abschliessend geklärt werden und um wirklich alle Vorkehrungen getroffen zu haben:
Liebe Freundinnen und Freunde, bitte sorgt dafür, dass ich nach meinem Tod nicht in einen Sarg gelegt werde, bitte verstaut auch meine Asche nicht in einer Urne, bitte legt mich in kein Grab und tut keine Platte drauf. Die Fakten wären in diesem Fall nicht sehr beruhigend. Bitte lasst meinen Körper verbrennen und streut die Asche in den Wind – am Meer oder in den Bergen weht meistens einer.
September 15th, 2006 at 22:30
das hat mich schon mein leben lang interessiert (und ich bin noch gar nicht tot), warum müssen wir DANN eigentlich in ein eingekapseltes grab oder eine urne gezwängt werden, wo es doch am meer und in den bergen so viel raum gibt?
möchten die anderen uns DANN nicht mehr um sich haben und warum, wir wären doch DANN beflügelnd?
nu ja, in der zwischenzeit leben wir ja noch
(siehe auch evtl.blogigo.de/hibou grenzen und schwellen)
September 16th, 2006 at 10:11
Du schreibst das sehr treffend…ich hab selber vor 2 Wochen das erste Mal Panik und Angst Attacken gekriegt und muss mich wohl in Zukunft damit auseinander setzten.
September 16th, 2006 at 11:08
Liebe Kristine, ja der Gennep hat interessante Sachen geschrieben und sie werden immer noch gelesen, obwohl das Buch schon sehr alt ist. Das neueste Bibliotheks-Exemplar sieht bereits wieder völlig zerlesen aus. Danke für die Erinnerung – ich hatte ihn etwas vergessen.
September 16th, 2006 at 20:20
Ach, das war einerseits eine beschissene Woche und doch gab es auch gute Nachrichten. Du bist wieder raus aus der Röhre und ich hoffe, der Befund bleibe wie die Vermutungen. 2nd, male ist raus aus der Quarantäne und meine Schwiegermutter hat zwar Krebs, aber „nur“ in einer Brust, was von einem Todesurteil weit, weit entfernt ist.
Du hast ja so Recht, sheguest. Das ist auch mein Trick: die Relationen („was sind die Fakten?“).
Good news: Wir haben soeben die Sommerferien 2007 reserviert, auch deinen Platz. Und wir leben alle noch und können voraussichtlich nächste Woche wieder arbeiten und zur Schule gehen.
September 17th, 2006 at 13:21
Ich spreche aus Erfahrung: am besten nimmt man – und nicht nur zu Untersuchungen, die einem in der Nacht davor den Schlaf rauben – jemanden mit. Das beruhigt nicht nur die „Kranken“ sondern zeigt auch den Praxisassistentinnen und ÄrztInnen, dass da noch Angehörige sind (die genau hinschauen).
September 17th, 2006 at 16:34
Liebe Sheguest!
Ich hatte nur beim ersten Mal Angst in der Röhre! Das zweite Mal war kurz vor der OP. Ich erkannte einen grösseren Sinn, in dieser Röhre zu liegen, weil ich wusste, dass dies der Anfang vom Ende meiner unerträglichen Schmerzen war.
Sheguest, warst nicht gerade du die, die sich aus Arbeitsfieber hat in der Bibliothek einsperren lassen?