Do 9 Mrz 2006
Im oberen Teil des Ladens ist es finster. Aus einem Lautsprecher dröhnt Musik. Die Frau an der Kasse versucht, einige verregnete Jugendliche daran zu hindern, sich mit Gratis-Maltesers-Säckchen aus einem Korb zu bedienen. Die süssen Kugeln bekomme man nur, wenn man etwas kaufe. Ein Mädchen mault: „Hier steht aber gratis, also muss ich nichts kaufen.“ Zufrieden ziehen die Kids mit den Maltesers ab, denn die Verkäuferin ist nicht dumm. Aus den herunter hängenden Kopfhörerpaaren tönen die neuesten Hits. Ich stehe ein bisschen im Weg und ziehe mich in die Ecke der Hörbücher zurück zu „Mein Leben“ von Bill Clinton und dem „Zauberer von Oz“. Im „citydisc“ ist das der einzig mögliche Platz zum Warten.
Eigentlich begleite ich meinen Enkel. Er ist auf der Suche nach einer älteren CD von Sido. Der Bub hat einen Gutschein und ein paar gesparte Franken Taschengeld.
Darf ich als Grossmutter einen solchen Kauf unterstützen, mitfinanzieren? Sind diese provokativen Texte nicht schädlich? Hätte ich mich doch früher informiert, mit den Eltern des Kindes geredet! Nun ist es zu spät. Glücklich steht 3rd in der langen Schlange vor der Kasse. Endlich hat er die „Maske“ gefunden. Er bekommt 10 Rappen zurück und ein Säcklein Maltesers dazu. Mit den Zähnen reisst er im Bus die CD-Verpackung auf. Im Booklet sind keine Songtexte zu finden, nur das Bild einer Frau mit einem Brustwarzenpiercing.
(Gerade habe ich gelesen, dass der Sohn des Künstlers keine Sido-Musik hören darf!)
Nun vertraue ich auf das gute Fundament, welches der Bub musikmässig in den beinahe elf Jahren seines Lebens mit bekommen hat: Mozart, Bach und Smetana, Beatles und Jonny Cash, Elvis, die grossen spanischen Gitarristen, Franz Hohler und Mani Matter… Da kann eine Grossmutter nichts verderben.
März 9th, 2006 at 07:33
Neinein, du kannst gar nichts verderben – er wird selber bald genug haben von dem Kram und sich später vielleicht sogar genieren über seinen jugendlichen Musiausrutscher. Hättest du ihm den Kauf verboten, so hätte es noch viel mehr Anreiz sich gerade „die“ Musik reinzuziehen. Langsam aber sicher wird er seine eigenen Musikvorlieben rausspüren und entwickeln – vermutlich nicht mehr ganz auf der Linie seiner Eltern mithalten: eine wunderbare und faszinierende Welt steht ihm offen.
Herzlichst Rinaa
März 9th, 2006 at 08:41
*mhm* Ich für meinen Teil bin auch mit Bob Marley, Pink Floyd und dem ganzen 80er Kram aufgewachsen. Irgedwann kommt der Punkt, wo man eben seinen „Geschmack“ findet. Er muß für sich entscheiden, ob es gut oder schlecht. Gehört eben mit zur „Persönlichkeitsbildung“.
März 9th, 2006 at 23:30
Hier spricht die Mutter: Ich finde Sido geht und wenn der seinem Sohn seine Musik verbietet, dann hat er nicht gerade viel Vertrauen in die, die seinen Sohn erziehen.
Ich darf aber sagen, dass der Rap Mitte/Ende Achziger hier aufgetaucht ist und ich das neben Smetana durchaus mitbekommen habe. Dre und Eminem gehören in unsere Sammlung, Ice-T galt in meiner frauenlastigen Gewerbeschuleklasse als der geilste Gangsta von der Welt. 50Cent ist mir zu platt, sein „Candy Shop“ zu pädo-ig und daher immer wieder Stein des Anstosses am Familientisch. Nun liest 3rd mal dessen neue „Autobiografie“ (nett, dass die Grossmutter sie heute in der Buchhandlung geholt hat! Danke!) und ich bin gespannt auf die Zusammenfassung.
März 10th, 2006 at 08:47
🙂 Ja damals war der Hip Hop noch in Ordnung. Höre heute noch Ice-T & Bodycount (wobei das mehr Crossover ist), Ice Cube, Krs One, Public Enemy , Flipmode Squad etc. Trotzdem hat sich die Zeit gewandelt und ich finde, daß der „nuskool hipf hüpf“ nur in geringem Maße brauchbar ist.