Di 12 Sep 2006
In meinem ersten, mit Spannung erwarteten Schulbericht stand: „… sie weiss, dass Lügen kurze Beine haben …“.
Dieser Satz gefiel mir sehr und ich war überzeugt, dass etwas auf kurzen Beinen herzig aussieht: kleine flinke Lügelchen, die zwischen den langen Menschenbeinen hindurch huschen.
Obwohl mir in der Sonntagsschule erzählt wurde, dass Gott bei jeder Lüge einen Strich mit dem Griffel in sein Goldenes Buch mache, habe ich mir doch ab und zu eine solche geleistet. Da alle um mich herum nur die Wahrheit sagten, fand ich, wären ja Griffel und Buch überflüssig und Gott hätte nichts zu schreiben.
Aber nun dies!
Es gibt einen namens Constantin, der mich im September 1997 angelogen hat. Und ich Trottelin habe ihm jedes Wort entzückt geglaubt. Habe seinen Schrieb sogar archiviert als besondere Perle – neun Jahre lang, in der „Fussball“-Schachtel! Diese Lüge hatte jedenfalls keine kurzen Beine, wie mir die Lehrgotte weismachen wollte.
Schnellere NZZ-Folio-LeserInnen wissen natürlich, dass ich über „Das grösste Kunstereignis 1929“ von Bert Brecht spreche.
Ehrlich gesagt, von alleine wäre ich dem Constantin S. nicht auf die Schliche gekommen. Ehrlich gefragt, ist das nicht das Beispiel einer himmlisch langbeinigen Lüge, bei welcher der göttliche Griffel liegen bleiben muss?