Do 16 Mrz 2006
Das „Pyri“ ist heute Abend so voll wie vor dreissig Jahren. Auf den windgeschützten Plätzen sitzen immer noch die Bärtigen von damals, sind auf den Eckbänken, den bünzligen, ergraut. Auch mir passt der Platz im hinteren Teil der Gaststube noch wie angegossen. Über meinem Kopf spielt Basel gegen Strasbourg, und ab und zu sehe ich im Spiegel an der Wand gegenüber Eduardo oder einen der beiden Degen vorbeipreschen.
M. und G. erzählen von alten Filmen, von Konzerten mit Bob Dylan, Joan Baez, Eric Clapton, Johnny Cash, Tom Williams und dessen Enkelin Holly, von abgestürzten Privatflugzeugen und den Insassen – alle von den Göttern Geliebte.
He nu, auf jeden Fall (2 Füllwörter) erreiche ich den Bus der Linie 14 zwar etwas schwankend, aber sicher, nachdem ich von Nr. 10 beim Kornhaus beinahe …
Zu dieser Zeit sind ganz andere Leute auf dem Weg nach Westen: Frau B. kommt vom Putzen. Das Leben mit drei Kindern ist teuer – schlimm. Meine Sitznachbarin, eine ältere Frau, hat eben die Schwester besucht, will nach Hause. Die Biese – schlimm. Sie möchte wissen, wo ich arbeite. Ah, Bücher, interessant. Die Schwester liest auch so Geschichten. Nein, sie erzählt ihr keine. Aber ins Theater könnten sie zusammen gehen. In „Ds Vreneli ab em Guggisberg„. Soll sie sich das anschauen? Wäre das etwas für sie? Ich rate wärmstens zu einem Besuch, obwohl die Geschichte eigentlich traurig…
An der Endstation steige ich aus, mein Brot, das ich am Mittag gekauft hatte, unter den Arm geklemmt.
Es ist Zeit, dass ich dem Bier endlich Boden gebe.
März 17th, 2006 at 19:21
Oh, wie schön! Ich habe hier als Kind viele viele Abende verbracht und auf die Rückseite vom Tischset geschrieben und gezeichnet. Meine rosaroten Kinderlungen haben Kubikmeter von Hanf und Zigarettenrauch aufgesogen, jawohl. Rabeneltern der Siebziger!
Ich hätte auch noch drei Geschichten vom Bus, irgendwo sind noch Notizen. Irgendwo im Chaos. Vielleicht hinten auf einem Tischset.
März 17th, 2006 at 20:57
„Her mit solchen Tischsets!“ meint Rabenmutter.
März 25th, 2006 at 20:16
O. Nein. Ich bin am Boden zerstört.
Ich kannte S’Vreneli vom Guggisberg bislang nur in der Version von Christine Lauterburg, also nur die 1., 3., 12. und 13. Strophe, welche Raum für eigene Interpretationen lassen. Und immer stellte ich mir eine romantische Liebesbeziehung vor,im Sinne von Romeo und Julia oder den beiden Königskindern, die durch gesellschaftliche Zwänge verhindert wird und erst im Tod endet oder nicht mal da… Also ich dachte mir das Vreneli als eine reiche Bauerstochter auf dem Berg und den Hansjoggel als den armen Knecht hinter dem Berg… und sie konnten nicht zusammen kommen…
Nun muss ich sehen, dass sie sich „an ihn ghänkt“ hat, er sie im Laufe der Zeit aber wohl „vergässe hät“…? Also eine schrecklich realistische unromantische Geschichte, in der die Liebi -wie alles- es Änd het.
Verzweifelte, haarausraufende & theatralisch auf den Boden sinkende Grüße aus D. :((
März 25th, 2006 at 21:49
Liebe K., ich hoffe nur, dass du beim Vreneli-Link auch noch die Musik abspielen konntest (midi):
Zum Gränne.
Hat Hansjoggeli die Höger des Guggisbergerlandes reislaufend verlassen? Ist er dann in der Schlacht gefallen und liegt nun im Röseligarte z’Mailand (Söldner-Friedhof)? Auch das wäre ein realistisches Ende passend ins 21. Jahrhundert.
Anmerkung: Unglaublich, wie sensibel du mit diesem Text aus der tiefsten schweizerischen Provinz umgehst. Das Theaterstück läuft noch und das Guggershörnli bietet einen weiten Blick ins Vreneli-Land 😉