Mi 17 Mai 2006
Endlich habe ich richtig mit der entlassenen Quartier-Keramikerin reden können. Sie arbeitet ein paar Stunden in der Tagesschule und hat eine Weile bei einem Unternehmen putzen können, das seit letzter Woche leider auch Konkurs ist. Für den mickrigen Rest stempelt sie. Heute schrieb sie eine Bewerbung für eine Stelle als Garderobiere im Stadttheater. Die Erwartungen des RAV-Betreuers sind katastophal daneben, er will die Keramikerin kurz vor der zweiten Star-Operation an einen Bildschirm setzen und telekommunizieren lassen. Bingo.
Wir unterhielten uns also vor dem Block stehend über Sozialschmarotzer und all die Scheininvaliden, die uns zwar nie begegnen aber von denen wir dank Blick wissen, dass es sie gibt (O-Ton heute: „BLICK deckt auf: Das fidele Leben unserer IV-Rentner in Thailand“), da hinkte uns eine einsame Alkoholikerin entgegen. Sie sah furchtbar vernachlässigt aus, ihre Kleidung war rudimentär und schmutzig, ihr offenes Bein schlecht verbunden. Sie winkte unsicher, stellte sich leise vor (Name, Hausnummer, Stockwerk) und sagte scheu: „Ig bruuche es Päckli Teigware…?“
Es war klar, dass ich hier weiterhelfe, die stempelnde Keramikerin hat ja selber nichts, mit dem sie Vorräte für suchtkranke Nachbarn anlegen könnte. Weil ich Zweifel daran hatte, dass sich die Frau noch lange aufrecht halten würde, klingelte ich rasch 3rd und bat ihn, die Teigwaren herunterzubringen. Er ist nicht der Typ, der bei derlei Bitten lange nachfragt, er tanzte zackig mit einem Paket bunter Penne an. Die Frau stahlte, sie wollte unbedingt, dass ich ihr Fränkli annehme – aber ich konnte nicht. So gab sie es 3rd, der sich höflich bedankte. Worauf auch sie sich bei ihm bedankte. Sie drückte das Zellofanpäcklein glücklich an sich, warf uns eine Kusshand zu und schwankte von dannen.
Mai 18th, 2006 at 06:08
Ja, Teigwaren und Klorollenprobleme können wir zum Glück lösen.
Gestern erzählte mir Frau W. aus meinem Block, dass sie wieder eine Arbeit gefunden habe. (Das Schuhgeschäft, in welchem sie viele Jahre arbeitete, wurde letztes Jahr für immer geschlossen.)
Ihre RAV-Betreuerin hat für Frau W. einen neuen Arbeitsplatz gefunden! Ich konnte das beinahe nicht glauben. Die RAV-Frau kaufte für sich etwas in einem orthopädischen Geschäft ein. Dort wurde eine ältere Verkäuferin gesucht. Frau W. bekam die Stelle, ist überglücklich und kann ihre neue Kundschaft super beraten, denn sie selbst leidet nach vielen Monaten der Arbeitslosigkeit an zahlreichen Gebresten und Schmerzen. Sie schmeisst den Laden alleine, und der Arbeitgeber ist sehr zufrieden.
Mai 18th, 2006 at 07:52
Sehr schön! War auch Zeit, endlich mal ein gutes Beispiel für eine RAV-Beratung zu hören.
Mai 18th, 2006 at 23:02
Dies ist doch das richtige „GEWONNEN“ Posting!
Wir gewinnen nur durch Einzel-Aktionen;
was ein klasse Beispiel!!!
Liebe Grüße
Mai 18th, 2006 at 23:46
ach Kristine, ich weiss nicht recht. „Trophäe für einen Tag“ könnte es vielleicht heissen, das Posting. Aber sonst? Heute konnte ich mich mit der gleichen Frau nicht mehr einigen. Sie wollte die 2.– Fr. für das Brot in bar und nicht das Brot. Leider war sie zu besoffen um zu merken, dass ich immer noch die bin, die nie Bares gibt. Ich habe versucht herauszufinden, wann sie wieder auf das Sozialamt kann oder jemand von dort bei ihr vorbeikommt. Scheint der 24.5. zu sein. Viel Zeit ohne Essen.
Mai 19th, 2006 at 00:42
o.k. gewonnen verloren gewonnen.
Für sie und uns alle steht tagtäglich mehr auf dem Spiel als Manchester-Branca…
Jeder Sieg zählt!
Mai 19th, 2006 at 00:53
Ach du meine Güte, es muss natürlich heißen
BARCA – Arsenal (oder so :-S)
Mai 19th, 2006 at 08:07
Liebe Kristine, ich „verschreibe“ mich doch ständig in Blog-Kommentaren, finde es nervig, dass man die eigenen nicht korrigieren kann. Man wollte mich letzhin wegen eines kleinsten Fehlerchens in meiner Adresse beinahe rauswerfen, d.h. meinen Kommentar;-) Nun habe ich mich schon wieder auf einer anderen Blog-Seite verschrieben – peinlich ist das, aber nicht zu ändern eben. (Ich sage natürlich nicht wo, so unangenehm ist mir das.) Deine sog. Verschreiber sind lustig und passend.