Mi 29 Apr 2020
Von der Kirche her schlägt es sieben. Es regnet, als ich den Block verlasse. GsD, endlich Regen. Zu Corona noch eine Dürre – sie möge uns erspart bleiben!
Den Schirm habe ich im 16. Stock vergessen.
Nach zwanzig Minuten stehe ich mit tropfenden Haaren vor dem Coiffeursalon. Heute bin ich die erste Kundin. Rosalina ist daran, schwarze 60-Liter-Kehrichtsäcke aufzuschneiden. Nach Vorschrift muss sie den Kundinnen einen Plastikbehang umlegen. Die lieferbaren Plastikmäntel seien aber für Frauen, besonders beim Haarefärben, zu schmal, deshalb die Abfallsäcke. Gesichtsmasken hat Rosalina noch einige aus der SARS-Zeit übrig (2003). Weitere bestellte sie bei Stöckli Medical im Aargau, aber noch sind diese nicht geliefert worden. Also orderte sie kurzentschlossen bei Mädi Tullo-Ocher. Die clevere Geschäftsfrau und Politikerin hatte frühzeitig ihre Beziehungen nach China aktiviert und 600’000 Stück der heiss begehrten Objekte bestellt. Fristgerecht belieferte sie damit die Coiffeursalons zum Selbstkostenpreis. (Böse Zungen behaupten, Mädi mache damit mindestens einen Gewinn von 240’000 Franken, aber das sind wohl nur die Zungen ihrer Parteifeinde – und was sind schon Fr. 240’000.- bei einem Familienvermögen von 12 Milliarden Franken?)
Auf jeden Fall bekomme ich nach der Haarwäsche den Kehrichtsack umgelegt mit der Schrift nach innen und dann das Haar nach meinen Wünschen geschnitten, anschliessend mit etwas Schaumfestiger und Rundbürste geföhnt. Kein Haarspray!
Rosalina entschuldigt sich, dass sie mir keinen Espresso anbieten kann. Es gehe nur mit Wasser im Wegwerfbecher. Auch gut.
Inzwischen ist Doris, die Helferin der Friseuse gekommen. Sie wischt alles ab, desinfiziert Kämme, Bürsten und Stuhllehnen. Die nächste Kundin, eine Margrit, tritt ein. Sie muss noch eine Minute warten. „Was, keine Glückspost, nicht mal eine Gratiszeitung?!“ Aus hygienischen Gründen seien Heftli nicht erlaubt. Margrit ist unschlüssug, was sie mit dieser Warteminute anfangen soll. Ich könnte ihr vielleicht ein bisschen aus meinem E-Book vorlesen?
Leider müsse sie die Preise erhöhen bei diesem neuen Aufwand und der Reduktion von zwei Stühlen zum Abstandhalten, entschuldigt sich Rosalina. Mein Schnitt kostet jetzt Fr. 73.- statt Fr. 71.-
Rosalina möchte mich so frisch frisiert nicht ohne Schirm in den Regen hinaus gehen lassen. Ich solle doch den Schwiegersohn anrufen. Der würde mich sicher mit dem Auto abholen. Ohne dass ich anrufe, holt mich meine Tochter ab.
Rosalina, Doris, Margrit und der Herrencoiffeur Fatmir, er hat auch einen Stuhl im Salon, winken zum Abschied:
„Adieu, das nächste Mal hoffentlich ohne Maske.“
Mai 4th, 2020 at 10:31
Danke vielmals für die Vorschau auf meinen heiss ersehnten Frisiertermin am Samstag! Dh, ich muss selber Lesestoff mitnehmen und kann mich nicht auf Gala und Bunte vor Ort verlassen. Dabei gehe ich insgeheim deshalb sehr gern Haare schneiden, weil ich dabei ungehemmt Klatschhefte lesen darf. Eine Reminiszenz an meinen Studentinnenjob als Kioskfrau, den ich übrigens sehr gern ausgeübt habe. Ich hoffe, es geht der blogk-Familie gut. Schon bald ist der wahre Muttertag da: die Wiederöffnung der Schulen. Herzliche Grüsse von ennet der Stadt – Granium
Mai 6th, 2020 at 15:46
Bedauerlicherweise ist es bei meinem Haarschnitt nicht möglich, die Klatschblätter zu lesen, denn Rosalina wäscht, schneidet föhnt ohne Haube und Pause. In normalen Zeiten kann ich höchstens einen Blick auf zusammenmontierte Titelfotos werfen, bei welchen ich dann nicht sicher bin, ob Helene Fischer wieder mit Silbereisen, Königin Victoria schwanger ein neues Familienmitglied einbringt oder nur einen jungen Hund kauft und ob Roberto Blanco wieder zu erkennen ist, nachdem er abgenommen …
Bei uns ist alles gut. Noch ein bisschen Stress mit den Vorbereitungen zum Schulstart am 11.05.: Tochter lange Sitzungen, Grossmutter bei den kurz umarmten Enkelkindern am Bildschirm. Herzliche Grüsse!