Do 5 Jan 2017
Isabelle schlug die Decke zur Seite, stand auf und trat ans Fenster. Draussen war es noch dunkel. Der Sternenhimmel war von einer unglaublichen Intensität – der Mistral hatte jeden Schleier weggeblasen, weit weg, hinaus aufs Meer. Es hatte deutlich abgekühlt. Irgendetwas peitschte in den Böen gegen das geschindelte Dach ….
Das bin natürlich nicht ich, sondern Isabelle Bonnet, ehemalige Chefin der Police nationale und jetzt, auf eigenen Wunsch, Kommissarin in einem südfranzösichen Dorf, 978-3-426-52111-3.
Ich erwache um 05:43 Uhr mit Kopfschmerzen, draussen ist es heller als sonst – der angekündigte „Schnee bis in die Niederungen“ bedeckt spurenlos das Quartier unter mir. Im Block ist alles ruhig. Ich schlüpfe noch mal unter die Decke und öffne auf meinem iPad die Leseprobe (siehe oben) eines Krimis. 62 Gratisseiten lang befinde ich mich in der Provence, wo Isabelle Bonnet bei einem frühen Morgenspaziergang – auch sie ist mit Kopfschmerzen erwacht – über eine nackte Männerleiche stolpert.
Am Ende der Leseprobe drücke ich nicht auf „Kaufen“.
Anschliessend lese ich hundert Seiten aus dem Februarbuch für „mein“ Café littéraire. Eine Mutter-Töchter-Schwestern-Geschichte, wird als Mutmacherbuch angepriesen und war der Vorschlag einer Leserin aus der Gruppe. Nach hundert Seiten bin ich überzeugt, dass die restlichen zweihundertvierundsechzig von mir ungelesen bleiben werden.
Unter verhangenem Himmel wird es Tag.
Meine Tochter kommt mit ihrer Jüngsten zum Kaffee. Die kleine Bohne übt im Moment das Bellen: wuff, wuff. Während ihr Frühstücksbrei abkühlt, zeige ich ihr ein Buch mit Hunde-, Fuchs-, Schakal-Kojoten- und Wolfbildern. Sie strampelt, fuchtelt mit den Ärmchen und lacht: wuff wuff wuff. Dann übt sie lange, Brei mit dem Löffel zu essen, was immer besser klappt.
Nach diesem Kurzbesuch bei mir im 16. Stock mache ich mich zurecht für den Tag: schwarzes T-Shirt, schwarzgrau karierter Rock, schwarze Strumpfhose, zwei ungleiche Perlen an den Ohren, vorerst noch rosa Sandalen, fertig.
Dann fülle ich die Waschmaschine mit Wäsche in Rottönen und bügle die Bettbezüge, welche über Nacht trocken geworden sind.
Der Glockenturm spielt heute drei Minuten vor der vollen Stunde „Dona nobis pacem“.
Nun ist es Zeit für einen zweiten Kaffee. Dazu esse ich einen angetrockneten Rest Nussbrot mit Butter und Erdbeermarmelade. Ich kann einfach kein Brot wegwerfen. Seitdem meine Enkel oft nach der Schule zu mir zum Zvieri kommen, gibt es kaum mehr Reste.
Inzwischen ist es beinahe Mittag geworden. Höchste Zeit, die Zeitung von heute und die herausgerissenen Artikel von letzter Woche zu lesen. einer der Berichte interessiert mich besonders. Nun ist es also soweit: der Hagelabwehrverband Mittelland wird u.a. aus Mangel an Nachwuchs aufgelöst. Die übrig gebliebenen 300 Raketen wurden in einem dicken Eisenrohr gezündet und unschädlich gemacht. Was die Wissenschaft über den Nutzen solcher Abwehr auch meint, ich habe mich besonders bei den heftigen Gewittern in meiner Kindheit immer sicherer gefühlt, wenn diese Hagelschützen hurtig und präzise in Aktion traten.
Die Wäsche ist bereit zum Aufhängen.
Um 14:00 Uhr fahre ich zusammen mit meinem Schwiegersohn (dem Hausmeister) in die Wohnung von 2nd’s, die in dieser Woche den Patenkindern das Schifahren beibringen. Wir füllen den Korb mit Brennholz für den Stubenofen und packen die Oleanderstauden auf der Terrasse noch ein bisschen wärmer ein.
Inzwischen hat es wieder zu schneien begonnen.
Wieder zu Hause angekommen, schlage ich mir zwei Eier in die Pfanne – Frau Beimer lässt grüssen – brate den Reis von gestern mit, schneide einen gemischten Salat.
Ohne besondere Vorsätze bin ich ins neue Jahr gestartet, möchte aber bis morgen alle Flickwäsche und die Handarbeitsleichen „bearbeitet“ haben. Also setze ich mich an die Nähmaschine, wechsle je nach Bedarf Faden und Fuss und komme meinem gesetzten Ziel immer näher.
Gegen 18:00 Uhr übernehme ich die schlafende Kleine Bohne, damit ihre Eltern ungestört einkaufen gehen können.
Um das Kind nicht aufzuwecken, lasse ich die Nähmaschine und räume in der Küche den Zeitungshalter auf, werfe alles von 2016 weg und hänge einen neuen Kalender auf.
Als das Telefon klingelt, erwacht die Kleine. Zusammen telefonieren wir mit ihrer grossen Schwester, die uns von ihrem Tag auf einer Walliser Alp erzählt. Endlich „schneierlet es Natur“, das ist cool.
Gegen 21:30 Uhr holen die Eltern ihre Jüngste ab.
Ich schreibe den Blogbeitrag und lese noch ein paar Seiten in einem echten Buch – hier habe ich gleich auf „Kaufen“ geklickt und es nicht bereut.
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