Ich steige hinten in den Bus ein und entdecke einen thailändischen Bekannten. Er klopft neben sich auf den Doppelsitz um mir zu zeigen, dass ich mich unbedingt zu ihm setzen soll. Er fragt natürlich zuerst höflichst nach dem Befinden aller Familienmitglieder, aber ich weiss, dass er Neuigkeiten hat. Ich habe schon oft in der Schul- oder Quartierarbeit mit ihm zu tun gehabt. Als unsere Söhne noch klein waren, haben wir uns mit Kochen abgewechselt. Später haben sich die Kinder nicht mehr verstanden und so ist der Kontakt eingeschlafen.

Er gehört zu einer Minderheit der Ausländer mit Realitätssinn. Der Illusion, sehr bald als reicher Mann nach Hause zurückzukehren, hängt er nicht nach. Soviel ich weiss, hat er auch keinen Platz auf dem Friedhof in der fernen Heimat reserviert, sondern kann sich vorstellen, in Schweizer Erde begraben zu werden. Er hat glücklicherweise immer einen Job und seine Frau auch, aber eigentlich ist er Koch für ostasiatische Gerichte. Nun hat ein Wirt ihn angerufen. Ihn! Gerade managt er vier Thai-Wochen in einem guten Restaurant! Er musste bei seinem anderen Job dafür Ferien nehmen. Nun sollen noch zwei chinesische Wochen angehängt werden, aber die Ferien sind aufgebraucht. Was tun? Es wird sich eine Lösung finden, vielleicht mit Vorkochen. Und die Klubschule der Migros hat auch angerufen und wollte ihn sogar sehen! Ihn! Warum? Das habe er gefragt und sie meinten, er sei ein erfolgreicher Instruktor für Thai-Küche! Und das, weil er hier im Quartierzentrum Kochkurse anbiete und immer wieder an Festen koche – er hat an mich gedacht, denn ich hätte es ja immer gesagt. „Wenn du etwas gut kannst, versuche einmal, in der Freiwilligenarbeit damit anzufangen, das spricht sich herum.“ Er hat ja gar nicht mehr daran geglaubt nach all den Jahren! Und jetzt? Jetzt kann er beim grössten Kursanbieter der Schweiz anfangen! Vielleicht wird er einmal nur noch kochen. Das wäre traumhaft.

Und überhaupt werden er und seine Familie auch eingebürgert werden. Sogar dort haben sie ihn auf sein Engagement im Quartier angesprochen, sogar auf sein Vizepräsidium im Quartierverein. Sie haben ihm die Hand geschüttelt und gesagt, dass die Schweiz solche Leute brauche. Solche wie ihn. Die hier bleiben wollen und die etwas tun für das Land. Unglaublich. Er bedankt sich wieder und wieder überschwänglich und winkt lange, als er aussteigen muss und ich noch eine Station weiterfahre. Ganz gerührt.