„Sie können sich nicht vorstellen, wie eng wir durchmussten. Zu viert in einem Bett schlafen, erst mit 15 ein eigenes, sommers barfuss laufen, samstags Steine auflesen und jäten. Weils nichts kostete, bei den Pfadfindern mitmachen.“
Eigentlich war er schon als Kind ein Sammler, aber was der Bub vorne ins enge Armeleutewohnigli herein trug, warf seine Mutter hinten wieder hinaus. Wenn die Bereitermusik am Haus vorbei zog, war er zur Stelle. An ein eigenes Instrument war nicht zu denken. Der einzige Anzug, den ihm sein Vater unter Abwägen und Werweisen kaufen konnte, war der zur Konfirmation. Kurz darauf war’s dann auch die Trauerkleidung zu Vaters Begräbnis. Die Familie wurde noch ärmer, sollte sogar bevormundet werden. Ab nun war sein Motto: „Ich will!“, was bedeutete, weg aus dem Armeleutemief, weg von der endlosen Rappenspalterei, dem Verzichten und am Mundabsparen.

Er arbeitete in zahlreichen Berufen, war unter anderem Ausläufer und Taxifahrer, lernte jeden Winkel seiner Stadt kennen und kaufte sich schliesslich in die Burgergemeinde ein. (Natürlich spricht er heute die Sprache der Burger, sagt längst nicht mehr „steue“ und „hocke“ – stelle, verzelle, Suppechelle, sitze statt hocke).
Zum Fünfzigsten hat ihm seine Frau eine Trompete geschenkt. Endlich konnte er zur Bereitermusik, wo er zwanzig Jahre die Trompete spielte. Auch der Lust am Sammeln konnte endlich gefrönt werden: Old Timer, Motorräder und Autos, Autokühlerfiguren, mehr als hundert und vieles mehr, wie die Bereiterfahnen. Platz ist heute kein Problem mehr. Seine sperrigen Sammelobjekte haben eine alte Mühle auf dem Land erhalten. Der steinige Garten, die enge Wohnung – alles mit Grossem und Prächtigem ersetzt. „Ich will“ hat ihm Liegenschaften in der ganzen Stadt verschafft. Alle mit Gartenanlagen umgeben, deren Pflanzen er selber bezahlt und nicht etwa über die Nebenkosten den Mietern verrrechnet. Eine Mieterin, Musikerin, liebt japanische Kirschbäume. Er hat zwei vors Mietshaus pflanzen lassen, damit man sich an den frühen Blüten erfreue. Er will, dass sich die Leute wohl fühlen, erlässt auch ab und zu in Notfällen die Nebenkosten, denn er weiss wie’s ist, wenn man beim besten Willen nicht zahlen kann.
Die Dankesbriefe der Entlasteten hebt er auf. Er verrät mir, was darin steht: „Sie sind ein guter Mensch.“ Nicht nett und freundlich, sondern gut. Das macht ihn froh, erhält ihn jung, und wenn er mit Freunden über die entbehrungsreichen Zeiten spricht, ist er glücklich.
Auch seine Kunst wird gewürdigt, die von ihm gestalteten Plakate haben bereits Sammlerwert. Er schreibt an seinem zweiten Buch. (Schreibtisch Bündner Schiefer aus einem Kloster, Stuhl Louis XV). Bald erhält er einen Eintrag ins Schriftsteller- und Schriftstellerinnen-Lexikon seines Heimatkantons. „Schatzeli, nun werde ich auch noch berühmt!“ sagte er zu seiner Frau, indem er sie umarmte.