Er wurde 1970 im Südlibanon geboren. Zwischen 1983 und 1995 erlebte er hautnah Krieg. Sein Körper weist drei Schussverletzungen auf. Elf Geschwister leben noch. Der 41jährige Bruder sitzt seit 23 Jahren bei den Israelis im Gefängniss. Nein, besuchen könne er ihn nicht. Sähen die Libanesen ein israelisches Visum in seinem Pass, sässe er zehn Jahre in Haft.

Ich warte auf den Rückruf seiner Sozialarbeiterin, respektiv deren Stellvertreterin, denn sie weilt bis Ende August in den Ferien. In meiner Abwesenheit belästigte er wieder unsere BlockbewohnerInnen. Er will einfach immer Geld und schwört, es zurück zu geben. Mit seinen glaubhaften Begründungen erbettelte er sich schon tausende von Franken – Schulden. Er akzeptiert kaum ein „nein“, ist aber noch nie gewalttätig geworden. Höchstens küsst er Stirnen und Hände oder hält Füsse fest umklammert, um auch diese zu küssen. Er stellt auch schon Mal seinen Fuss in die Tür. Viele geben ihm Geld, weil sie sich dadurch Ruhe vor ihm erhoffen; weit gefehlt. Die Kinder und die verschleierten Frauen haben grosse Angst vor dem langen unheimlichen Mann.

Zwei Mal am Tag holt er sich in unserer Apotheke seine Medikamente: Xanax, Zebreska, Valium und drei weitere, die ich nicht kenne. Therapien wurden allesamt mit der Begründung abgebrochen, er halte sich an keine Abmachungen und sei Therapie unfähig. Er ist wirklich sehr vergesslich, nervös und distanzlos. Er kommt den Leuten viel zu nahe und schlägt sich am Türrahmen und allen anderen „Hindernissen“ an.

Er hat mehrere Anzeigen wegen Belästigung und Diebstahl. Seine in Dubai im Sterben liegende Mutter wünscht sich nur eins: dass er heiratet und Kinder macht. Deshalb hat ihm seine Familie eine Frau organisiert, die anscheinend in einem Monat und zehn Tagen in die Schweiz eingeflogen wird. Sie spräche Französisch, Italienisch und Englisch und mit ihr würde er geheilt. Auch sein rauschender Tinitus würde nach der Hochzeit verschwinden. Bei einem seiner Brüder war das auf jeden Fall so – er schwoort mann.