Heute sprechen wir über Seuchen in vergangenen Zeiten.
Vater erinnert sich, wie er als Achtjähriger am Fenster stand und zuschaute, wie man mit zwei Pferden die toten Kühe den Graben hinunter zur Sammelstelle schleppte, wo die Kadaver zum Verbrennen abgeholt wurden. Es war der Maul- und Klauenseuchezug 1919-1924.
Als dann im Jahre 1938 die Seuche wieder ausbrach, traf es Wältis Gödu in der Buchen besonders hart. In seinem Stall standen 60-70 Stück der besten Jungtiere, Kühe, sie hatten zum ersten Mal gekalbt, bekamen hohes Fieber und starben innerhalb kürzester Zeit an einem Herzschlag. Gödu war ausser sich vor Verzweiflung. Er nahm ein grosses Messer zur Hand und hieb den toten Kühen den Kopf ab. Dann schleppte er die Kadaver mit einem Pferd aus dem Stall auf den Hausplatz und wartete darauf, dass man sie zum Verbrennen abholte.
Im „Neuhaus“, dem elterlichen Hof meines Vaters, hatte man grosses Gfehl (Glück). Das Vieh blieb von der Seuche verschont. Zusammen mit den Nachbarn Maurer Fridu und Kühni Wernu machte sich Vater auf, denen auf der Buchen zu helfen. Die jungen Männer, beraten vom „Kantönler“, (dem Kantonstierarzt), waren entschlossen, „durchzuseuchen“. Auf der Buchen sollte nicht mehr geschlachtet werden. Man fing an, die Kühe zu pflegen. Diese lagen auf dem Boden, die haarfreien Stellen ums Maul und an den Klauen voller hässlicher Blasen, Schrunden und klebrigem Schaum. Man salbte und badete, versuchte, die geschwächten fiebrigen Tiere zu tränken. Es dauerte bis zu sechs Wochen, bis diese anfingen, sich zu erholen. Natürlich erbrachten sie nie mehr die gleiche Leistung wie vor der Seuche. Es gab auch einige Kühe, die es nicht schafften, aber der Hof wurde vor dem grössten Unglück bewahrt.

In diesen schrecklichen Jahren 1938-1939 konnte sich auch die ärmste Familien eine Fleischmalzeit leisten, kostete doch das Kilo nur einen Batzen – 10 Rappen. So sah man die Arbeiter abends nach Hause gehen, ein Räf (Traggestell) auf dem Rücken, voll bepackt mit Rindfleisch und Knochen, so dass die Äste der Bäume die aufgetürmte Last streiften.

2006: Die Hüher sind (wieder) eingesperrt, es ist Jagdsaison für die Krähen, die Rehe sind abgeknallt, weil sich jemand über ihr Äsen in Hofnähe beschwerte. Nur die Katzen kümmern sich nicht um die gefrorene Erde und hocken auf der Lauer.

So sah die längenbergische Fauna heute Morgen folgendermassen aus:
9 Katzen
5 Saatkrähen
4 Pferde
1 Kuh in einem Transporter