… gewöhnlich.

„Immer, wenn Sie kommen, regnet es“, begrüsst mich Rosalina. Tatsächlich wollten heute schwere Tropfen fallen, wenn Ylenia – oder schon Zeynep? – sie nur lassen würde. Falls ich das möchte, könnten wir die Masken beim Haareschneiden anbehalten.

Nein, umgottswille, gar nicht, hatte ich doch seit vielen Monaten zum ersten Mal wieder Lippenstift benutzt. Die Coiffeurin wäscht, schneidet und föhnt mir die Haare ohne jede Behinderung durch Gummibänder um die Ohren. Dann bringt sie mir einen Espresso – wunderbar – in einem Porzellanbecher, das Wasser in einem Glas und ein Stück Mandelschoggi auf einem kleinen Tablett. Haben Papierbecher- und Wegwerftellerzeit endlich doch ein Ende? Der Sturm wird immer heftiger. Draussen binde ich die Kapuze fest. Die Frisur ist dahin.

Aus allen Himmelsrichtungen finden nach und nach die leeren Einmachgläser den Weg zurück in meine Küche. Sie jedenfalls wären bereit für neue Konfitüren, Tomatensaucen, Gemüsesuppen, getrocknete Kräuter. Ob ich bereit sein werde, kann ich noch nicht sagen – on verra.

An meinem Block findet eine bis Mitte Oktober 2022 dauernde Erbebenertüchtigung statt. Dieses Wort habe ich bis jetzt noch nie gehört. Mit zusätzlichen Eisenstreben werden die beiden Teile des Hochhauses – Nr. 21 und Nr. 23 – miteinander verbunden. Das bedeutet für die Bewohner*innen oft längere Bohrattacken. Vom Baulärm besonders betroffenen Mieter*innen erhalten im Haus vorübergehend eine etwas geschütztere, möblierte Wohnung. Allen wird, der Belastung durch die Sanierungsarbeiten entsprechend, eine Mietzinsreduktion gewährt. Ein so grosses Haus braucht andauernd Pflege. Das kann zeitweise mühsam sein, hat aber auch seine Vorteile. So wird bei uns eine Reparatur z.B. des WC-Spülkastens, des Kühlschranks, der Geschirrspülmaschine, der Sonnenstore oder des verstopften Abflusses sofort erledigt. Meine Freundin im Nachbardorf spült seit Tagen das Klo mit Wasser aus dem Putzkessel, weil die Verwaltung trotz mehrfacher Bitte niemanden zum Flicken vorbei schickt.

Ich wünsche Ihnen ein maskenloses, freies Atmen, klare Brillengläser, und mögen sich doch einige über den Haufen gestolperte Pläne wieder aufrappeln!