Hahn

Im Moment könnten einem Gärten zum Hals raus hängen. Keine Zeitung, kein Magazin, die nicht irgendetwas über Grünzeug schreiben, kein Fernsehsender, der keine Tipps und Tricks zur Selbstversorgung auf dem schmalsten französischen Balkon berät. (In L.A. sind bepflanzte Kloschüsseln auf chicen Dachgärten der Renner, und in England muss das Lustwandeln, Lustgraben und Lustpflanzen im Klostergarten, – an- oder ausgezogen – für den September schon jetzt gebucht werden). Besonders der urbane Garten ist im Moment absolut in, denn Raum ist in der kleinsten Tüte. Von Beiträgen in Blogs und Gartenblogs rund um die Welt nicht zu reden. Dass ein kleiner Film wie „Unser Garten Eden“ eben einen europäischen Preis gewonnen hat, ist in dieser Zeit der urbanen Selbstversorgung nicht verwunderlich. (Der Film wurde in meiner Nachbarschaft gedreht.) Ganz klar sind in dieser unserer Stadt zahlreiche Zierkübel mit Raps oder einem Pro-Spezia-Rara-Kraut bepflanzt. Bald sollen ja auch die ausgedienten Einkaufswagen in Bern gelb gespritzt, für den mobilen städtischen Gemüseanbau frei gegeben werden.
Auf dem Samstagsmarkt ist es mit diesem Gartenvolk echt grässlich! Vor dem Stand mit Gemüsesetzlingen: „Schahatz, (Muntsch-muntsch), möchtest du Rot- oder Weisskabis?“ „Ich habe eigentlich an Spitzkabis gedacht (Muntsch-muntsch)“. Und wie freuen sich diese Leute, wenn die Märitfrau sagt: „I gibe-n-ech no-n-es Stüdeli drüber-i, ds einte isch e chly n-es Miggerigs“. Am besten verlässt man diesen überbordend fröhlich-bunten Ort sofort, wo an jeder Ecke Pflanzpläne geschmiedet und Pflanzmisserfolgen der vergangenen Jahre auf den Grund gegangen wird. Aber ja nicht über eins der zahlreichen Kleinkinder stolpern, welchen der Platz im Kinderwagen von Setzlingen weggenommen wurde!
Das alles geht ja noch. Am schlimmsten sind diese angefressenen Gärtnerinnen und Gärtner in der Familie. Bei jedem Essen hört man eine Story über den Salat – Eichblatt, Kopf, Kresse, Schnitt – der dank Frühbeet früh im Jahr auf den Teller kommt, von den Kräutern, die, Baruch haSchem und Alhamdulillah, dem eisigen Frost getrotzt haben, von dem Lattich, der als Gratin besonders fein schmeckt, der Minze (es gibt davon viele Sorten), bei welcher die marrokanische besonders minzig schmeckt. An jedem Löffel Rhabarberkompott hängt ein Geschichtchen – wie lange darf man ernten, wie rotodergrünoderdoch rotgrün darf der Stängel sein, welche Nachbarn bekommen etwas, jede Beere wird kommentiert – von Schnecken durch Piniennnadelunterlage oder aus verlassenenm Garten gerettet. Eeendlos und ehrlich ein bisschen nervend – sorry. Klar lesen die Angefressenen Gartenbücher, können stundenlang Bilder vom Prinzessinengarten in Berlin-Kreuzberg und Wirsigköpfe in Jutesäcken betrachten. Wie Katzen- und Hundefans fotografieren sie natürlich bei Sonne und Regen ihre Lieblinge, und man kann nur dankbar sein, dass die Familien-Dia-Bilderschau der Vergangenheit angehört. Über diese emsigen Leutchen kann man (nach meiner Mutter selig) nur sagen: „Si mache wenigschtens nüt Dümmers.“

Garten im Mairegen

Herein Zwetschge auf Gras
Liebstoeckel & Co. Kraut und Rüben
Erdbeeren neben Zwiebeln Rhabarber vor Randen
Pfingstrosen bei Akalei Akalei im Regen
Waldmeister & Co. Schattenbeet
Frau im Mantel Regenwasser
Tram hinter Beeren Wetterdach