Nein, danke, keinen Weisswein für mich vor dem Mittagessen, in den leeren Magen! Ein gutes neues Jahr darf man sich nur noch heute, am Dreikönigstag, wünschen, meint eine Fachreferentin, die es wissen muss, da sie eine „Von“ ist und den „Gummäng*“ kennt. Das sei bis Ende des Monats möglich, meint M., ohne dass man etwas Ungutes herbei rede oder gar den Anstand (siehe oben*) nicht wahre. He nu. Der Direktor verliest die Liste der Jubilarinnen und Jubilare. Die Frauen erhalten Blumensträusse, die Männer eine Flasche Wein aus der Münsterkellerei. Es wird gewitzelt, dass nur die Verpackung mit der roten Binde von dort … Ich tröste den Kollegen damit, dass er in diese edle Schachtel das nächste Geschenk für seine Freundin verpacken könne. Nun werde ich, zwar „unverlesen“, zum Strauss gerufen. Küsschen vom Direktor, und schon halte ich ein Blumenschiff aus lachsroten Rosen und Lilien, einigen blauen Vogelbeeren und einer Strähne Flachs in den Armen.
Im Bünzlibeizli, dem Bellevue gegenüber äugen heute keine Journalisten zum Eingang des Hotels (um ja keinen Promi zu verpassen). Es ist ruhig und fast rauchfrei. (Ich hätte gerne ein Zigarettli geraucht, aber siehe *)
Bei Salat und Spaghetti mit Pilz sind wir Bücherfrauen uns einig: Es ist nicht sicher, dass ein neuer Direktor die Apéros so gut kann, wie der „alte“, der sich bald verabschieden wird.
Etwas behindert segle ich später mit aufgestelltem Kragen durch die Lauben, immer darauf bedacht, die Lilien zu schützen.
In unserem Ladenzentrum, der Denner-Weinreklame gegenüber, sind die Beizentische voll besetzt. Ich grüsse, wünsche allen ein Gutes Neues und übergebe mein Jubiläumsbukett Frau P. Seitdem sie arbeitslos ist, es sind schon einige Jahre her, ist sie hier Stammgast. Ich weiss, dass sie studiert hat und mehrere Sprachen spricht. Früher haben wir im Bus, wenn wir beide von der Arbeit nach Hause fuhren, über Bücher diskutiert. Frau P. kannte sich sehr gut aus in der tschechischen Literatur.