In meinem Leben bin ich mindestens 30’000 Mal mit dem Lift gefahren. Ich habe mit den Mitfahrenden ein kurzes Wort gewechselt, Gespräche geführt, Neuigkeiten ausgetauscht und mich mit einem guten Wunsch von ihnen verabschiedet. Natürlich bin ich manchmal gezwungenermassen oder auch freiwillig die Treppe hinauf- oder hinutergelaufen.

Aber heute, heute habe ich den Lift das erste Mal nicht genommen, um sozialem Kontakt auszuweichen.

Letzten Freitag, vor dem Abstimmungswochenende, warf der Verwalter in alle 166 Briefkästen einen Brief. Alle MieterInnen erhielten einen Umfragebogen, auf dem sie verschiedene Fragen zum Hauswart mit „sehr gut“ bis „schlecht“ ankreuzen müssen und extra Zeilen für Reklamationen bekamen. Darüber informiert wurden wir offiziell erst gestern. Da für kein Kreuzchen eine Begründung verlangt wird, werden alle, die meinen Mann mögen ein „Gut“ ankreuzen und alle anderen ein „Schlecht“. Fragt mich nicht, wie ein solcher Bogen ausgewertet werden soll. Die Emotionen fahren auf und ab.

Wenn ich eine Mieterin wäre, würde ich nun jedes Mal, wenn ich mich, die Hauswartsgattin, sähe, an diese Umfrage denken. Umgekehrt ist es leider auch so, dass ich nun beim Zusammentreffen mit MieterInnen auch immer daran erinnert werde. Jeder Wunsch, den ich ihnen mit auf den Weg gebe, wird gewertet, denke ich. Die Frau Hauswartgattin ist bestimmt nur so freundlich, weil sie will, dass ich ein „gut“ für ihren Mann ankreuze. Ein elendes Misstrauen frisst mich auf und heute steige ich Treppe abwärts.

Ob wir noch umziehen müssen, damits wieder aufwärts geht?