Di 26 Sep 2006
In meinem Leben bin ich mindestens 30’000 Mal mit dem Lift gefahren. Ich habe mit den Mitfahrenden ein kurzes Wort gewechselt, Gespräche geführt, Neuigkeiten ausgetauscht und mich mit einem guten Wunsch von ihnen verabschiedet. Natürlich bin ich manchmal gezwungenermassen oder auch freiwillig die Treppe hinauf- oder hinutergelaufen.
Aber heute, heute habe ich den Lift das erste Mal nicht genommen, um sozialem Kontakt auszuweichen.
Letzten Freitag, vor dem Abstimmungswochenende, warf der Verwalter in alle 166 Briefkästen einen Brief. Alle MieterInnen erhielten einen Umfragebogen, auf dem sie verschiedene Fragen zum Hauswart mit „sehr gut“ bis „schlecht“ ankreuzen müssen und extra Zeilen für Reklamationen bekamen. Darüber informiert wurden wir offiziell erst gestern. Da für kein Kreuzchen eine Begründung verlangt wird, werden alle, die meinen Mann mögen ein „Gut“ ankreuzen und alle anderen ein „Schlecht“. Fragt mich nicht, wie ein solcher Bogen ausgewertet werden soll. Die Emotionen fahren auf und ab.
Wenn ich eine Mieterin wäre, würde ich nun jedes Mal, wenn ich mich, die Hauswartsgattin, sähe, an diese Umfrage denken. Umgekehrt ist es leider auch so, dass ich nun beim Zusammentreffen mit MieterInnen auch immer daran erinnert werde. Jeder Wunsch, den ich ihnen mit auf den Weg gebe, wird gewertet, denke ich. Die Frau Hauswartgattin ist bestimmt nur so freundlich, weil sie will, dass ich ein „gut“ für ihren Mann ankreuze. Ein elendes Misstrauen frisst mich auf und heute steige ich Treppe abwärts.
Ob wir noch umziehen müssen, damits wieder aufwärts geht?
September 27th, 2006 at 11:30
Die Hauswartsumfrage inspirierte zu einer kleinen Geschichte auf espace.ch: http://www.espace.ch/artikel_262166.html. Herzliche Grüsse Tanja Kammermann
September 27th, 2006 at 11:48
Mir kommt die Galle hoch, wenn ich von einer solchen Verwaltung höre, die ihren Leuten nicht den Rücken stärkt. Wenns geht, würde ich weiter den Lift benützen und so bleiben wie vor dem Umfragebogen.
September 28th, 2006 at 00:25
Liebe Tanja! Welch Ehre, dass du meinen Bericht auf espace.ch verlinkt hast.
Dein Name weckte in 1st und mir Erinnerungen an drei Geschwister, die auch einmal in unserem Block gewohnt haben und später in ein kleineres Häuschen am Rande der Agglomeration gezogen sind.
Liebe 1st! Ich habe den Namen des Verwalters heute auf die „blöde-Leute-Liste“ gesetzt und in der untersten Schublade versorgt.
Der Block schläft ruhig und friedlich. Kleinmädchen auch. Nur der Hauswart findet den Schlaf nicht. Er plane halt nachts, gähnt er und wälzt sich auf die andere Seite.
September 28th, 2006 at 09:20
Es geht auf und ab.
Es gibt Tage, da denke ich: Ihr seid stark, das sitzt oder treppt ihr aus. Dann gibt es wieder Tag, da denke ich: Keine Minute läger, dieser Stress ist einfach zu ungesund.
Wir, 1st, 2nd und 2nd2nd leben je in einem anderen Block. Aber Tanja Kammermann hat Recht, alle irgendwo im Westen von Bern. Eine von uns sogar genau im auf espace.ch abgebildeten Block. Gut getroffen!