Do 18 Okt 2007
Es ist 23 Uhr. Zusammen mit einer Nachbarin, die gerade ihren Spätdienst im Pflegeheim beendet hat, steige ich aus dem Bus. An der Haltestelle wird sie von Ehemann und Schwägerin abgeholt. Als ich zu meinem Block abbiege, bietet sich der Mann an, mich zu begleiten, denn um diese Zeit sei es nicht mehr angebracht, als Frau allein unterwegs zu sein. Als „Mosslem“ könne er das nicht akzeptieren. Ich bekomme einen Lachanfall und sage, dass ich in meinem Leben schon Schwierigeres bewältigt hätte, als hundert Meter allein zu gehen, z.B. einige Kinder gross ziehen. Das gefällt ihm gar nicht. Ich müsse wissen, dass bei den „Mosslems“ die Sache umgekehrt sei. Da habe man Respekt gegen oben zu den Alten. Er hebt den Arm über seinen Kopf. Wir hier in der Schweiz hätten Respekt nur gegen unten zu den Kindern. Er geht in die Knie: so tief unten sei unser Respekt. Das ist mir dann doch zuviel, und auch ich beginne zu zeigen, wohin mein Respekt reiche: nach oben, nach unten, zu ihm und zu mir.
„Ausserdem bin ich schon zu Hause. Das hier ist mein Vorzimmer.“ Ich zeige auf die Strasse mit den Herbstblättern und den zerfledderten Gratiszeitungen:
„Zwar ein bisschen schmutzig, aber ich warte auf den nächsten Windstoss.“
Endlich gibt der Mann auf, denn verrückte Frauen muss ein „Mosslem“ wirklich nicht begleiten.
Oktober 18th, 2007 at 23:52
Der Wind ist in dem Fall die angenehmere Begleitung? (Verständlicherweise)
Oktober 19th, 2007 at 09:00
Ha, ha, ja klar. Der Wind ist sowieso mein Begleiter und oft auch mein Putzmann;-)
Oktober 19th, 2007 at 11:53
Weißt du, ich teile deine Ansichten was Frauenrechte, Eigenständigkeit und Furchtlosigkeit betrifft und ich liesse mich auch viel lieber vom Wind begleiten – aaaaber der Respekt vor fremden Kulturen liesse mich glaub einen Augenblick zögern…
Oktober 19th, 2007 at 13:13
@Rinaaa: Die Frage lautet zunächst und überhaupt:
Wo bleibt denn der Respekt der Frau gegenüber?
Es wird unhinterfragt angenommen, dass sie nicht in der Lage ist in der Dämmerung alleine (ohne männlichen „Schutz“, vor eben diesen sie ja „beschützt“ werden muss)unterwegs zu sein…
Einen Lachanfall zu bekommen finde ich dabei die angemessene Reaktion,der weit entfernt von einem Disrespekt der fremden Kultur gegenüber erschallt 🙂
Oktober 20th, 2007 at 21:16
@Rinaa: Für dich gehört das Verhalten dieses Moslems vielleicht in eine fremde Kultur. Meiner Mutter allerdings ist diese Kultur alles andere als fremd. Das habt ihr beiden wahrscheinlich wirklich nicht gemeinsam.
Oktober 21st, 2007 at 13:05
Wieso soll einer Frau mehr Respekt entgegengebracht werden, nur weil sie eine Frau ist?
Wieso soll eine fremde Kultur mehr respektiert werden, nur weil es eine fremde Kultur ist?
Wieso gebührt Ausländern mehr Respekt, nur weil sie Ausländer sind?
Wieso verdient ein Schweizer mehr Respekt, nur weil er Schweizer ist?
Wieso sollen Politiker respektiert werden, nur weil sie Politiker sind? etc.
Wieso wird nicht einfach grundsätzlich der Mensch als solches respektiert, unabhängig von Geschlecht, Kultur, Status oder (da besonders aktuell: politischer) Gesinnung? Ob dieser Respekt dann auch Bestand hat, oder ob er abnimmt oder gar verloren geht – das hängt wiederum nur vom einzelnen Menschen ab, aber doch niemals vom Geschlecht, von der Kultur, etc.
Wieso will der Beton einfach nicht zu Gras werden?
Es ist kalt, kälter als im Kühlschrank.
Eiszeit in den Herzen, in den Köpfen, während draussen die Gletscher wegschmelzen.
Beide Bewegungen scheinen unaufhaltsam.
Oktober 21st, 2007 at 19:38
Sicher ist, wenns Frauen und Kindern – Mädchen sind auch gemeint – gut geht, dann geht es allen besser. Ich kanns nicht verputzen, wenn Männer mich heruntermachen, weil ich mich dafür einsetze, dass Kindern in allen Kulturen Fürsorge und Achtung entgegengebracht wird.