Wenn jemand erfährt, dass meine Schwester einen gebürtigen Kosovo-Albaner geheiratet hat, dann ist meistens die erste Frage, wie es denn so gehe mit ihm. Ich nehme das gelassen, es interessiert die Leute halt, wie andere mit Behinderungen leben. Ich sage dann jeweils, es gehe gut und da er Schweizer sei, habe er keinen Ausweis gebraucht und die Heirat wäre rein freiwilliger Natur gewesen.

Wenn meine Schwester und mein Schwager im Schwangerschaftskurs sitzen, ist es für mich nachvollziehbar, wenn sie gefragt werden, ob er Berndeutsch verstehe und welchen kulturellen Hintergrund er habe. Wer weiss, vielleicht hatten die Veranstalterinnen ja auch schon schlechte Erfahrungen und von Dammschnitten überforderte Muslime am Rande der Ehrverletzung.

Wenn sie in der Woche darauf noch einmal das Gleiche gefragt werden, überlege ich allerdings, ob es der Kursleiterin nicht eventuell möglich wäre, sich einen kleinen Notiz zu machen? Und ob ich vielleicht für den nächsten Kurs ein Band besprechen sollte: „Jawohl, er ist im Kosovo geboren. Sein Vater ist Gastarbeiter hier, konnte aber die Familie erst mit Kriegsgrund zu sich holen, deshalb kam er erst später in die Schweiz und spricht mit Akzent. Ja, er versteht immer noch Berndeutsch. Ja, er hat Arbeit. Ja, er kann sich auch vorstellen, eine Tochter zu bekommen. Ja, er besucht diesen Vorbereitungskurs aus Interesse. Ja, er kann lesen und schreiben und sprechen.“

Wenn der Hauswart, der den Job vor meinem Schwager hatte, der Hausverwaltung eine Beschwerde schickt, in der unter anderem steht:

Herr [gemeint ist mein Schwager, Anm. 2nd, female] hat grosse Mühe (wohl durch seinen kulturellen Hintergrund) eine unparteiische und korrekte Verhaltenslinie den Mietern gegenüber zu führen. Dies zeigt sich z.B. bei Fehlverhalten von Mietern. Dies zeigt sich auch in der Waschküche. Die geregelten Waschzeiten werden kaum mehr eingehalten und in den Trockenräumen wir die Wäsche noch nach 3 Stunden nicht abgehängt. Es walten Willkür und Chaos.

dann nehme ich an, der Vorgänger sei eifersüchtig, weil mein Schwager als Hauswart sehr viel sauberer, fleissiger, nüchterner (null Promille) und daher sehr viel beliebter ist.

Wenn an der darauf folgenden Sitzung meines Schwagers bei der Hausverwaltung die Sachbearbeiterin meldet, sie hätte auch schon viele Klagen gehabt, weil mein Schwager „immer mit den Jugos schwatze, aber für die Schweizer kaum ein Wort übrig habe“ und wenn sie sich nicht scheut, die Bezeichnung im weiteren Gesprächsverlauf zu brauchen, dann ziehen sich meine Eingeweide doch langsam zusammen.

Mein Schwager wurde seit seiner Kindheit öfter als „Jugo“ beschimpft als er zählen kann. Wie viele Kosovo-Albaner hatte auch er sich eine zweite, italienische Identität zugelegt. Und er verlor nie die Contenance, auch hier nicht.

Doch eine Sitzung mit dem Arbeitgeber ist nicht privat sondern gilt als öffentlich, Antirassismusgesetz wie Gerichtspraxis sehen das so. Und „Jugo“ ist ein Schimpfwort. Die Frau hat es wohlweislich nicht gebraucht, um meinen Schwager direkt zu bezeichnen.

Wie die meisten Rassisten hat sie gerochen, dass sie damit ins Messer gelaufen wäre. Und zwar nicht in das, das die „Jugos“ sowieso immer mit sich tragen, sondern in meines. Ich bin nämlich sofort bereit, sowohl die Gewerkschaft wie Justita mit dem Fall zu beschäftigen. Und ich kann sehr mühsam sein.