Mo 26 Feb 2007
Drita lebt in einem konservativen Dorf in Kosovo, dem Geburtsort meines Mannes. Sie ist seine jüngste Cousine väterlicherseits und als einzige noch ledig. Letztes Wochenende wurde sie verlobt. Sie wird im Laufe dieses Jahres heiraten und ab diesem Moment bei ihrem Ehemann wohnen. Sie ist dann verpflichtet, ihre Schwiegereltern und deren Haus bis in den Tod zu pflegen und mindestens einen Sohn zu gebären.
Ich hatte das Glück, Drita letzten Winter kennen zu lernen. In Kosovo lag sehr viel Schnee und wir sassen in den Ferien hauptsächlich um den Ofen herum. Auch im eingeschneiten Haus ist uns die Decke nicht auf den Kopf gefallen. Drita unterhielt uns mit ihren unzähligen Geschichten, Gedichten und Liedern. Drita bedeutet in Albanisch Licht. Ein passender Name, denn sie hat auch während dem täglichen Stromausfall stets Licht in die Stube gebracht. Sie hackte Holz, sprang übers Feuer, sammelte die letzten Kastanien, briet sie auf dem Ofen, führte uns ihre akrobatischen Kunststücke vor, machte den Handstand und konnte sogar den Spagat. Sie wusch ihrer alten Mutter die Füsse und massierte ihrem kranken Vater den Rücken. Sie wäre die perfekte Schauspielerin, in so viele Rollen konnte sie schlüpfen. Ihre Stimme war zum Verlieben. Besonders wenn sie ihren Neffen tröstete oder ihm Lesen, Schreiben und Rechnen beibrachte. Seine Kindergärtnerin wollte ihn direkt in die zweite Klasse bringen, aber Drita fand ihn als Fünfjährigen dann doch zu klein dafür.
Mein Mann und seine älteste Cousine sind sehr traurig, dass Drita nun „zur Frau wird“. Was hätte es nun für einen Sinn, in ihrem Heimatdorf Ferien zu machen, wenn sie nicht mehr da sei? Das Licht ist aus.
Februar 26th, 2007 at 20:16
Sie wird fehlen, aber es ist ein Glück, sie kennen gelernt zu haben.
Februar 27th, 2007 at 18:52
Können wir denn so sicher sein, dass sich eine Frau die heute jung (17? 18?) ist, nicht dereinst einmal scheiden lassen wird und einen anderen Weg geht?
Lasst uns nicht vergessen, wie lange Frauen in der Schweiz nicht abstimmen durften, weil sie angeblich mit Haus und Herd zu beschäftigt waren.
Es klingt vielleicht zu optimistisch, aber es ist nicht aller Tage Abend und Frauen haben immer mal wieder unerwartet ein Streichholz angerissen.
Februar 27th, 2007 at 22:31
Für Dorf-Kosovarinnen ist bis heute leider an eine Scheidung nicht zu denken. Drita (27) hat immerhin einen von mehreren Anwärtern selbst ausgewählt. Sie hat sich für einen kultivierten (?) Verlobten entschieden, welcher von zwei Brüdern aus der Schweiz unterstützt wird. Vielleicht hat sie die Hoffnung, durch ihn einen anderen Weg gehen und ein Streichholz anreissen zu können.
Februar 27th, 2007 at 23:25
Hmm. Ich bin froh, dass sie nicht so jung ist und immerhin von der Auswahl die Auswahl selber getroffen hat. Der Kosovo kann froh sein um jede Frau, die lesen und schreiben kann und eine Vorstellung von der Gestaltung ihrer Zukunft hat.
Wenn du dann mal deine mobile kosovarische Schule gründest, hast du immerhin schon eine Lehrerin!