Er türmt sich in hohen Haufen in der Schauplatzgasse und vor dem Bundeshaus, versperrt den Zugang zu den „Lauben“. Der Verkehr muss umgeleitet werden, Verspätungen von Bus und Tram sind nicht auszuschliessen. Menschen stehen in Gruppen zusammen, reden und gestikulieren, lachen, wundern sich über die weisse Pracht. Durch Schauplatz-, Gurten- und Kochergasse weht ein kalter Wind, während es in der Spitalgasse heute frühlingshaft warm ist und man eigentlich die traditionellen lebendigen Osterhasen in den Loeb-Schaufenstern erwartet. Aber in den hinteren Gassen herrscht emsiges männliches Treiben. Lastwagen, beladen mit Schnee lassen diesen in die Gasse flutschen, Absperrgitter werden zusammengehakt, Tribünen und Brücken errichtet, Rohre verlegt, um das Schmelzwasser abzuleiten, Rivella-Zelte aufgebaut, Lautsprecher eingerichtet. Die Bundesgasse wird mit weissen Planen überdacht. Das Organisationskomitee, ernste, stämmige Herren in hellblauen Sportjacken, versprechen sich gegenseitig, dass die Temperatur bald sinken würde. Sie haben sonst nichts zu tun, alles läuft, generalstabsmässig, wie am Schnürchen. Bern steht ein Langlauf-Weltcup-Wochende bevor und die Arbeiter packen an, strahlen, machen ein Spässchen. Heute sind sie die Stars.
Ich nähere mich einer Gruppe von Buschauffeuren und frage:
„Woher kommt der viele Schnee?“
„Das isch dr Abriib vo öppe füfzäche Iischbahne i dr Schwyz“, wird mir erklärt.
Ich muss lachen, diese Schweizer verkaufen sogar den gleichen Schnee zweimal. Der eisige „Abfall“, der von den Bahnen gewischt wird, wird hier zur Langlauf-Schlaufe präpariert: Mit der Loipe zu den Zuschauern
Cidhem, die Strumpfverkäuferin im Loeb, kann die Mittagspause kaum erwarten. Sie muss den Schnee sehen. Er gehört einfach zur Adventszeit. Es geht nichts über Bern im Schnee an Weihnachten.
Im Bus sitzen vor mir zwei albanische Frauen. Sie haben ein künstliche Weihnachtsgesteck gekauft und drapieren lachend die Blumen und Schlaufen neu. Die Jüngere trägt eine rote Umhängetasche mit Schweizerkreuz.