Es regnet wie aus Kübeln, als wir durch den Wald und dann durchs Dorf fahren. Kein Mensch ist bei diesem Wetter unterwegs. Ah, doch, vor dem „Bären“ steht ein Resecar aus Österreich, in welchen süferli eine Gruppe Rentnerinnen und Rentner einsteigen. Dann ist das Dorf wieder ein Juli-Kalenderblatt mit üppigen Geranien auf Fenstersimsen. Kein Licht in den Atelierfenstern des behäbigen Bauernhauses der Kirche schräg gegenüber. Der Kunstmaler sei nach 24 Jahren Landleben ausgezogen in einen 22. Stock in der Stadt, mit Frau, fünf tietischen Tempelhunden und drei Langhaarkatzen. Jetzt male er bunte, ineinander geschachtelte Hochhäuser und keine Munis (Stiere) mehr mit Tigerfell und tanzenden Kobolden auf dem Rücken. Ich schweife ab …
Der Dorfbrunnen plätschert. Ich fahre mit der Hand durchs kühle Wasser. Früher gehörte Albert ein Teil dieses Wassers, ich glaube, 1/7. Ich schweife ab …

Eigentlich sind wir gekommen, um die Gräber meiner Eltern zu pflegen.

Munterer Besuch

Da es immer noch Bindfäden regnet, sind wir die einzigen Besucher auf Gottes Acker. Minze, Bohnenkraut, Rosmarin und blaue Glockenblumen sind so richtig ins Kraut geschossen und geben den Elterngräbern ein etwas verwegenes, wildes, aber extrem lebendiges Aussehen, im Gegensatz zu den akkurat ausgerichteten Begonien, Tageten und Ziersteinchenbanden mit Schmuckkugeln, Laternen, Steinvögeln. Kein Wunder, dass diese duftende Kräuterwildnis, die sich von Schere und Hacke nur für kurze Zeit zähmen lässt, nicht allen gefällt. Die Kinder bringen das Unkraut weg, fragen viel, schauen, wie der Zwetschgenbaum auf der Weide neben Urgrossvaters Grab gewachsen ist, suchen nach dem Habichtpaar, welches meist auf den Winden zwischen Klosterruine und Martinskirche kreist. Erst, als sie völlig durchnässt sind, ziehen sie sich mit ihrem Vater und Kleinstmädchen in die Kirche zurück, wo der Siegrist den morgigen Gottesdienst vorbereitet. Als Gast werde der Handharmonikaclub Belp erwartet. Anschliessend sei Apéro mit Most und Züpfe. (Bei schönem Wetter finde der Gottesdienst aber im Kloster unter freiem Himmel statt.)

3rd, female darf in der Kirche Klavier spielen. Sie spielt ihr Stück von der Vortragsübung letzthin im Konservatorium und sonst noch einige Variationen. Dann liest sie für sich noch eine Seite aus der aufgeschlagenen Bibel neben dem Taufstein, weil sie gerade kein Buch dabei hat.
Inzwischen bin ich mit Hacken, Jäten und Schneiden fertig geworden.
(Neu sind auf dem Grab des Sparkassenleiters Salbei und Oregano angepflanzt. Das wird einen feinen Honig geben, wenn ich einmal meine Bienenkörbe zwischen den Gräbern …) Ich schweife ab…
Vorerst stütze ich mich auf die Hacke und erklimme mit ihrer Hilfe den Kirchenhoger bis hinauf zur Dorfstrasse. Noch immer ist sie menschenleer. Auch durch den Wald will ausser uns keiner fahren.
„Wem hilfst du, Deutschland oder Italien?“ fragen die immer noch munteren feuchten Kleinkrähen.
Eine alte Zidanefanin mit altem Materazzizorn im Magen muss man das nicht fragen, liebes Jungefieder!