Di 25 Apr 2006
„Für sie wurde niemals eine Ausnahme gemacht,“ darf man gern auf meinen Grabstein schreiben.
Gerechtigkeit ist etwas Schönes. Man attestierte mir den Sinn dafür ihn zahlreichen Schulzeugnissen, ich bin die Letzte, die daran zweifelt.
Ich glaube kaum, dass einer alle Finger braucht um die aufzuzählen, die im Block mehr Gemeinwohl betrieben haben als ich. Die Arbeitskraft, Toleranz , Geduld, zwei Dutzend Fussbälle, Kleider, Schuhe, unendliche Laufmeter Bücher und mindestens zwei Tonnen Esswaren in den Rachen des Quartiers geworfen haben, nur damit meine Kindeskinder eine Verbesserung bemerken – vielleicht. Dank erwarte ich nicht, aber etwas Gnade wäre ganz nett.
Doch nein! Wenn es bei uns hereinregnet, wird zuerst der Schaden von denen behoben, die lauter kläffen. Wenn ich einmal bei schönem Wetter hundert saubere Wassertröpfchen über den Balkon ablaufen lasse, klingelt es sofort Sturm: „Putzen Sie? Lesen Sie die Hausordnung!“ (Reinigung des Balkons mit Wasser nur bei Regenwetter gestattet).
Wenn ich nach zwanzig Jahren Erwachsenenleben hier zum ersten Mal den Papierabfuhr-Termin verwechsle und meinen Papierbund zu früh rausstelle, würde da ein Hauswart so nett sein und ihn rasch in seinen Container werfen?
Niemals! Wenn da jeder käme! Er knallt ihn mir vor die Tür und staucht mich zusammen. Und wenn der Termin ist, wartet er vergnügt darauf, dass ich ihn verpasse. Und wenn ich dann doch noch drauf komme, lässt er ein listiges „dies‘ Mal stimmt’s!“ fallen.
Das finde ich dann gemein. Allein der Gedanke an die Gerechtigkeit versöhnet mich.
April 26th, 2006 at 00:15
So ein Kotzbrocken. Könnte ich ihn doch nur kläpfen! Aber das wäre nicht genug Gerechtigkeit.
April 26th, 2006 at 18:13
Deshalb kommt die Juristerei nicht ohne das (mutmassliche) Verhalten des/der Anderen aus: die Gegenseitigkeitserwartung im Völkerrecht, „do, ut des“ im Schuldrecht oder der „tu quoque“-Einwand.
Einseitige Gerechtigkeit gibt es nicht.
April 26th, 2006 at 20:31
Lieber Marian, das gibt mir zu denken und ich verzichte auf das Kläpfen – Ehrenwort. (2nd hat es mir schon heute früh ausgeredet)
April 26th, 2006 at 22:40
1st,
dass man (oder frau) Dir sowas erst ausreden muss, kann ich gar nicht glauben. Und nachdem ich jetzt im Duden nachgeschaut habe, weiss ich sogar, was „kläpfen“ überhaupt ist. Obwohl ich natürlich schon einen Verdacht hatte, was es bedeuten könnte ;-).
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Sie assen mit Freuden, teils wegen dem Hunger, teils wegen der Lust an den Kläpfen, welche sie ausgeteilt und welche sie eigentlich als das glücklichste Begebnis des heutigen Tages ansahen.
April 26th, 2006 at 23:44
Lieber Marian, ich hatte Gotthelf vermutet (das kann jede sagen), na, jedenfalls einen Schweizer Realisten. Dass es die „Käserei in der Vehrfreude“ war, musste mir allerdings die Riesenmaschine verraten.
April 26th, 2006 at 23:44
Da meine Eltern aus der Gegend von Lützelflüh, dem gotthelfschen Wirkungskreis stammen, ist es kein Wunder, dass meine emmentalische Ader manchmal heftig durchschlägt …