zum neuen Jahr. Ich bin sicher, dass es hier nicht ausgenutzt werden wird.

Manchmal ist mir die multikulturelle Gesellschaft einfach so anstrengend. In der Stadt Bern haben ein Fünftel der Menschen keinen schweizer Pass, wie viele mit Migrationshintergrund hier neben mir leben, weiss ich nicht. Und weil wir diese verdammte Abstimmung über die erleichterte Einbürgerung, die der dritten Generation das rote Büchlein automatisch verpasst hätte, verloren haben, werden es wohl eher mehr denn wenigier.

Mir ist bewusst, dass es für alle schwierig ist und sich auch jeder Ausländer und jede Ausländerin freut, während der christlichen Feiertage in den Schoss der reinrassigen
vertrauten, gleichgesinnten Urfamilie zurückzukehren. Und ich weiss auch, dass das nicht allen vergönnt ist und sie dazu verdammt sind, in Windjacken der Winterhilfe durch die für Touristen beleuchtete Stadt zu wanken, um sich bei irgend einem Asylzentrum ihre drei Franken abzuholen.

Ob ich mich mit einer guten Freundin unterhalte oder einfach nur mit einer Bekannten, ich muss mich in den meisten Fällen auf eine ganz andere Welt konzentrieren, weil diese der angeheiratete oder geborene Hintergrund ist. Ich muss den Modus wechseln, dran denken, dass hinter der absurdesten Verschwörungstheorie ein Uniformtrauma steckt und dass nicht für alle die gleichen Feiertage und schon gar nicht Ruhetage gelten und dass viele Ausländer gerne über andere Ausländer herziehen.

Wenn ich neue Menschen muslimischer Herkunft kennen lerne, muss ich im Kopf nicht die Tabu-Themen, sondern die Nicht-Tabu-Themen abrufen, um überhaupt einen glücklichen Anfang zu wege zu bringen. Ich muss das Theater der janusköpfigen Frauen (ob ausländisch oder mit Ausländern verheirateten) mitspielen, weil sie sich in Anwesenheit der Männer ganz anders benehmen als ohne sie.

Ich muss zu Feiern gratulieren, die mir verhasst sind, wie zum Beispiel Beschneidungen von Jungs oder Verheiratungen mit importieren Bräutigammen (keine Ahnung wie dieser Plural ist) und Bräuten. Und bin ich eingeladen, muss ich wild kommentierte Hinrichtungen im TV schauen oder Karaoke mitsingen.

Als mich meine Schwester aus Wien angerufen hat, um mich zu fragen, wer denn der in der Gastfamilie so geschätzte Irving sei, musste ich mir und ihr natürlich eingestehen, dass es sich nicht um den wunderbaren Autoren, sondern um den scheusslichen Holocaustleugner handelt.

Aber im Gegensatz zu denen, die die multikulturelle Gesellschaft tot reden, weiss ich, dass niemals ein EXIT-Schild aufleuchten wird. Wir müssen uns arrangieren.

Mach ich ja. Manchmal bin ich einfach so müde. (Deswegen auch kein Duden und keine erklärenden Links. Entschuldigung.)