Im Verzug bin ich – oh Schreck – unter anderem auch mit dem Internationalen Tag der Frau. Den habe ich doch jahrelang nie „vergessen“. (Zum Glück gings nicht allen Frauen so).
Heuer ist er mir völlig entgangen. Trotzdem hatte ich am letzten Samstag einen Frauentag, befasste ich mich doch mit dem schriftlichen Nachlass meiner Mutter.
Es überraschte mich zu sehen, wofür sie sich neben Haushalt, Familie, Feder-, Klein- und Milchvieh, Garten, Vorratshaltung sonst noch interessierte.
Als ehemaliges Verdingkind, bei dem die Schule zum Luxus gehörte, war ihr Bildungshunger unglaublich. Aber immer gab es Dringenderes, als diesen einmal annähernd stillen zu können. Mutter war Zweit- und Drittleserin der unterschiedlichsten Blätter.
Beim Durchsehen der von ihr gesammelten Zeitungsartikel, bleibt man „hängen“ und vergisst die Zeit.
Hier ein Beispiel aus „Jedioth Chadashot“ vom 12. April 1968. Es geht um ein Treffen zwischen UNO-Botschafter Jarring und Aussenminister Eban zum Frieden îm nahen Osten. Verteidigunsminister Moshe Dajan neigt dazu, die besetzten Gebiete zu räumen, aber nur mit Regelung neuer gesicherter Grenzen und Friedensgarantie. Arbeitsminister Jgal Alon tritt für die Besiedlung ein, während Aba Eban nach Kompromissen suchen möchte.
Lesenswert ist auch der Artikel aus den „Tages-Nachrichten“ vom 6. Februar 1971 „Woodstock – Das Geschäft mit der Nächstenliebe“, eine kritische Betrachtung des „Free concerts“ mit 400 000 Besuchern, bei welchem durch Merchandising Millionen gemacht wurden.
Mutter bewahrte auch den „Blick“-Artikel vom 8. September 1997 über die Internationale Funkausstellung IFA in Berlin auf, bei welcher die Schweizer Firma Logitech ihre „Maus“ vorstellte.
Wer weiss schon, dass Felix Menselssohn-Bartholdy im Berner Oberland sein letztes Konzert gab? An einem regnerischen Sommertag 1847 spielte er auf der Orgel in der Kirche Ringgenberg, während ihm ein Hirtenjunge den Blasebalg trat.
Mutter wusste es aus dem „Berner Oberländer“ vom 20. Juli 1987.