Ich war letzte Woche bei der Dentalhygienikerin, die dieses Mal ein Dentalhygieniker war. Er stellte sich vor und erzählte mir, meine Dentalhygienikerin mache ein Austauschjahr in den USA und werde beim nächsten Mal wieder für mich da sein. Ich hörte seinen merkwürdigen Akzent, las nochmal sein Namensschild und konnte ihn doch nicht schubladisieren. Nachdem er mir eine ausgezeichnete Behandlung hat angedeihen lassen – was bei mir nicht einfach ist, weil meine Zähne es nicht sind -fragte ich ihn dann doch, woher sein Name stamme? „Aus Iran“ antwortete er. Und da ich ja zu den Unbelehrbaren gehöre, die Zuwanderung nötig finden, erkundigte ich mich noch, ob er schon länger hier sei und was er plane, wenn die Stellvertreung auslaufe? Er sagte, er sei nun acht Jahre in der Schweiz und vorher in Skandinavien gewesen und wie es weitergehe, werde sich weisen. Acht Jahre schon, entgegnete ich, dann sei es wohl zu spät, ihn willkommen zu heissen und zu fragen, wie es ihm gefalle hier. Oh, nein, nie zu spät, meinte er strahlend, ich sei die erste, die frage. Und also redeten wir, bis die nächste Klientin kam.

Eigentlich wüsste ich es ja, es schreit mir von Plakatwänden und aus Schlagzeilen entgegen: In der Schweiz muss jeder permanent dankbar sein, dass er sich überhaupt auf unserem helvetischen Boden bewegen darf. Und sobald er nur ein bisschen dazugehört, hackt er auf den nächsten ein, der neu kommt. Nur Touristen werden gefragt, ob und wie es ihnen hier gefällt.

Die einfache Regel, dass das Verhalten von Gastgebern und Gästen auf Gegenseitigkeit beruht und dass einer von beiden in Güte anfangen muss, was in Minne weitergehen soll, kennt jeder. Schliesslich wird sie von der Odyssee, dem Nibelungenlied, der Bibel, vom Talmud und Koran seit jeher vermittelt und mit apokalyptischen Beispielen von Fehlverhalten illustriert. Was nur hindert hier und heute die simple Anwendung?